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17.05.2015


Die kirchliche Lehre vom „lieben“ Gott ist nach der Ansicht vieler Menschen unvollständig, Gott sei „mehr“, er umfasse Gut und Böse, Licht und Schatten. Ich glaube, die Auffassung von Gott als einem „lieben“ Gott ist durchaus vollständig, nur wird diese Idee von den Kirchen nicht zuendegedacht.

Rüdiger Dahlke spricht in einem Vortrag von 2013 zur Eröffnung eines Esoterik-Kongresses über die Schicksalsgesetze – „die Spielregeln des Lebens“. Er spricht von einer „Hierarchie der Gesetzmäßigkeiten“, welche dazu führt, dass die Affirmationen der Lichtarbeiter meistens zum Scheitern verurteilt sind. Denn über dem Gesetz der Resonanz steht das Gesetz der Polarität. Die Lichtarbeiter kümmern sich intensiv um das Licht – was ja nicht schlecht ist. Aber solange sie nicht ihren eigenen Schatten aufarbeiten, können sie keinen Erfolg haben. In jedem Fall ein fulminanter Vortrag – unbedingt sehens- und hörenswert!



In einem Punkt stimme ich nicht überein: Dahlke diskreditiert die Idee vom „lieben Gott“, die die Kirchen verbreiten.

Er meint, der wahre Gott müsse ein Gott sein, der beides umfasst, Licht und Schatten (eine Idee, die Hermann Hesse im Demian als den Gott „Abraxas“ beschrieben hat). Dahlke erläutert, die anderen Erklärungsversuche der Existenz des Teufels haben ihn nicht überzeugt, unter anderem die Erklärung der Kirchen, Gott habe den Teufel erschaffen, aber „dabei noch nicht so recht gewusst, was draus wird“. Lach, lach – das Publikum quittiert diese Bemerkung unkommentiert mit dem sonst durchaus angebrachten Gelächter, der Vortrag ist ansonsten durchaus amüsant. Aber hier denkt Dahlke nach meiner Auffassung zu kurz: Die Idee, dass Gott gut sei und alle Wesen erschaffen habe – mag sich vielleicht sehr einfach anhören und sehr fantastisch – aber sie verdient es, ernsthaft geprüft zu werden, wie alle anderen Erklärungsmodelle der Schöpfung auch.

Hier das Erklärungsmodell des guten Gottes, mal zuendegedacht
(wie es weder die Kirchen noch das Publikum noch Rüdiger Dahlke getan haben):  

Ein guter Gott hat eine vollkommene Schöpfung erschaffen mit vollkommenen Wesen darin. Da die Kinder Gottes alle ohne Ausnahme nach dem Bilde Gottes erschaffen wurden, sind alle Kinder Gottes ihrem Wesen nach ebenso gut und vollkommen. Der einzige Grund, weshalb diese wunderbare Schöpfung dennoch ein äußerst riskantes Unterfangen war: Gott hat allen seinen Kindern den freien Willen gegeben. Dieser freie Wille beinhaltete auch die Möglichkeit, sich gegen Gott zu wenden, seine Vormachtstellung infrage zu stellen und nach Möglichkeit zu hintertreiben, zu sabotieren und offen zu bekämpfen. Es ist eingetreten, dass es Kinder Gottes gab, die auf die Idee kamen, dass sie ja als Ebenbilder Gottes ebenso alle Qualitäten des Schöpfers in sich trugen und dass sie aus diesem Grund ja ebenso die Berechtigung haben könnten, die Vormachtstellung über die Schöpfung an sich zu reißen. Dabei gibt es nicht „den“ Teufel, außer als eine Allegorie auf das Böse. Satana, das Geistdual Gottes, hatte zuerst die Idee, sich gegen den Schöpfer zu wenden. Luzifer, der Lichtträger, der zweitgeborene Sohn Gottes, schloss sich ihr an. Sie betrieben den Plan, Gott zu stürzen, sie verursachten für einen Teil der Schöpfung den „Fall“, die Herabtransformation vom Geistigen in das Materielle. Damit brachten sie sehr viel Leid über sehr viele Kinder Gottes – nicht über alle, denn es gibt durchaus Kinder Gottes, die sich niemals in das Materielle inkarniert haben und auch als geistige Wesen dem Schöpfer treu geblieben sind.

Gott HAT also „den Teufel“ erschaffen – als wunderbare, wunderschöne, edle und gute Kinder des Allerhöchsten. Und Gott WUSSTE NICHT, was draus wird, denn Gott hat ja allen seinen Kindern den freien Willen gegeben. Vielleicht hat Gott auch die Rebellion gegen seine Herrschaft – „den Fall“ – vorausgesehen. Aber Gott hat den Fall NICHT GEWOLLT, der Schatten ist nicht Teil seines Wesens. Er hat den Fall zugelassen, weil er seinen Kindern den freien Willen gab, er hat ihn nicht gewollt. Zwischen Zulassen und Selber-Wollen ist ein Unterschied! Da Gott aber allgegenwärtig und allmächtig ist, wird in jedem seiner Kinder wieder das Licht durchbrechen. Das heißt, auch noch der finsterste Teufel wird wieder zu seiner göttlichen Natur erwachen und wird wieder in die lichten Reiche der Himmel eingehen. Die Lehre vom allmächtigen und „lieben“ Gott ist also nur in sich stimmig, wenn man die Idee von einer ewigen Verdammnis streicht. Die Idee vom „lieben“ Gott kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn man das Fazit mit einbezieht, dass alle seine Kinder – auch die finstersten und gefallensten – wieder zu Gott und in die himmlischen Reiche zurückkehren.

Natürlich steht Gott an sich über Gut und Böse – jenseits von Gut und Böse. Aber in dieser Erhabenheit seines allumfassenden Wesens können wir ihn erst wieder betrachten, wenn wir wieder zu Gott zurückgefunden haben. Bis dahin bleibt das Gute das, was uns Gott näherführt, und das Schlechte das, was uns von Gott trennt.  

Natürlich hat jeder das Recht, den Glauben für sich anders zu definieren oder zumindest ein anderes Gottesbild für möglich zu erachten. Doch dann muss er sich folgenden Fragen stellen:

-          Muss ein Gott, der Licht und Schatten sein soll, nicht auch das Leiden
             der Menschen GEWOLLT haben? Wie soll man sich einem solchen Gott
               anvertrauen?

-          Wozu soll der Mensch seine Schatten erkennen
             (nach christlicher Ausdrucksweise „den Balken im eigenen Auge“),
               wenn nicht, um sie abzulegen?

-          Warum sollte der Mensch seine Schatten ablegen,
            wenn nicht, weil sein wahres Wesen Licht ist
               – so wie Gottes wahres Wesen Licht ist?


Mehr zu den Themen einer urchristlichen Kosmologie und Glaubenslehre unter:

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