Es ist der 3. Advent, und wir fühlen uns gar nicht
weihnachtlich.
Es ist der 4. Advent, und wir fühlen uns gar nicht
weihnachtlich.
Und dann kommt der „Heilige Abend“, und wir empfangen
Geschenke, und der Weihnachtsbaum schafft es, dass wir ein paar Anklänge empfinden
an frühere Gefühle, die wir als Kind an Weihnachten durchlebten. Aber auch das
ist nicht weihnachtlich, wenn man darüber nachdenkt, worum es an Weihnachten
geht: um Bethlehem.
Und Bethlehem hat nur einen Sinn, wenn es um das innere
Bethlehem geht: also um das bewusste Erlebnis, dass die Krippe im eigenen
Herzen ist, das ER IN UNS geboren wurde und nun IN UNS in unserem Leben sein
Werk verrichtet. So kann man dann in das Neue Jahr gehen. So macht das Sinn. So
ist das weihnachtlich.
Der Stern-Autor Tobias Schmitz schrieb zu Weihnachten:
„Rituale schaffen
Sicherheit. Sie sind Anker im Sturm, halten uns in den Orkanböen unseres Lebens
fest an einem Ort. Wenn wir Rituale begehen, können wir sicher sein, Teil von
etwas Größerem zu sein. Teil einer Familie, Teil einer Kultur, Teil einer
Gemeinschaft“.
Können wir das von unseren derzeitigen Weihnachtsritualen
wirklich sagen? Hält uns der Weihnachtsbaum in den Orkanböen unseres Lebens
fest? Gibt es uns das Gefühl, Teil einer Kultur zu sein, wenn unsere Kinder
alberne Gedichte, von einem verniedlichten „Christkind“ aufsagen, die weder sie
noch die Erwachsenen mit Inhalt zu füllen vermögen?
Aber Gedichte und Liedersingen sind ja sowieso längst in den
Hintergrund gerückt vor der Schlacht der Geschenke: Hier haben wir das Abbild
unserer „Kultur“: Sie gründet sich nur noch auf der Ersatzreligion des
Materialismus, auf dem öden Rausch einer Warenwirtschaft, in dem wir uns noch
mit der Gemeinschaft verbunden fühlen, aber der uns nicht wirklich das Erlebnis
von „Kultur“ verschafft.
Wenn der Ritus von Weihnachten – dem höchsten Fest des
Jahres! – wirklich so armselig geworden ist, was bedeutet das dann für unsere
Familien, für unsere Kultur, für unsere Gesellschaft?
Also: Worum geht es an Weihnachten?
Heute ist der 4. Advent, und ich habe bereits 5
Weihnachtsfeiern erlebt: Auf einer von ihnen ging es um Jesus. Wir saßen im
Kreis von Urchristen und haben uns intensiv ausgetauscht um die Bedeutung des
Erscheinens, der Mission und der Erlösertat des Jesus Christus. Das war für
mich ein Stück Weihnachten. Aber das ist natürlich auch nicht das, was man ein
identitätsstiftendes Ritual nennen könnte. Es ist kein „Feiern“. Aber das war
das beste Weihnachten für mich von den 5 bisherigen Feiern.
Eine dieser „Weihnachtsfeiern“ fand im Yoga-Studio statt, wo
ich seit kurzem an den Yoga-Stunden teilnehme. Ich bewundere das System des
Yoga und merke, auch ich als Christ kann davon profitieren. Aber das war schon
merkwürdig: Da trifft man sich in einem spirituellen Umfeld zu einer
Weihnachtsfeier, und Jesus ist kein Thema. Es wird „Kirtan“ gesungen – Mantra-Gesänge
auf Sanskrit. Dabei werden allerlei fremde Götter geehrt: Shiva und Rama und
Krishna. Das will ich keineswegs schlechtmachen. Ich bin unbedingt für
Glaubensfreiheit. Aber Weihnachten? – Ist das nicht!
Wir stecken da in einer Klemme: Weihnachten ohne Jesus
funktioniert nicht so richtig. Bei Betriebs-Weihnachtsfeiern und hinduistischen
Weihnachtsfeiern lassen wir ihn diskret untern Tisch fallen. Ist uns Jesus
peinlich geworden? Na ja, irgendwie peinlich ist das schon: Denn Weihnachten
zeigt uns auf, dass wir Jesus längst verloren haben.
Ich selber bin kein Kirchgänger, aber eine Darstellung in
einem Artikel hat mich aufhorchen lassen, da ging es um die „Weihnachtsente“.
Noch vor hundert Jahren war es so, dass man Weihnachten überhaupt nicht zuhause
feierte! Man feierte Weihnachten natürlich in der Kirche. Das, was zuhause
stattfand, war völlig unangestrengt ein gutes Essen – NACH der Feier! Da gab es
keine Peinlichkeiten, keine bemühten Anstrengungen darum, sich irgendwie
weihnachtlich in Stimmung zu bringen, eine weihnachtliche Atmosphäre zu zaubern
und zuhause irgendwelche hohlen Rituale zu zelebrieren. Denn Weihnachten – das höchste
Fest des Jahres – war ganz natürlich und ohne Frage etwas Sakrales, und wurde
daher in einem sakralen Raum begangen: in der Kirche.
Davon sind wir weg, oder gehen höchstens noch für eine Pflege
nostalgischer Gefühle an Weihnachten in die Kirche, aber nicht wirklich, um
eine sakrale Feier zu erleben. Dabei ist das genau das, was als
identitätsstiftendes Ritual im obigen Sinne taugen würde: Ein sakraler Akt in
der Glaubensgemeinschaft, die den eigenen Überzeugungen entspricht. So sollte
es sein. Die Kirche konnte aber eben das schon lange nicht mehr bieten, deshalb
hat es ja auch seinen Sinn, dass sie heute an Bedeutung verloren hat. Denn in
einer spirituellen Gemeinschaft, die eine „Heilige Schrift“ hochhält, wird der
einzelne Anhänger zwangsläufig spirituell entmündigt. Nur wo die Schriften
einer Gemeinschaft angezweifelt, diskutiert und hinterfragt werden dürfen, kann
der einzelne in seinem Glauben reifen und zu seinen wirklichen Überzeugungen
finden. Einer seiner spirituellen Grundlagen sicheren spirituellen Gemeinschaft
würde es nichts ausmachen, wenn sie angezweifelt, diskutiert und hinterfragt
werden. Aber durch die Heiligsprechung der Schrift wird dieser Prozess von
vornherein unterbunden. Nichts ist tödlicher für den Glauben als „Heilige
Schriften“.
Viele neu-esoterische Richtungen lehren das Ablegen des
Verstandes. Tut mir leid, da schätze ich den Prozess, der nottut, ganz anders
ein: Bei den meisten Spirituellen gäbe es da gar nicht viel abzulegen, weil sie
niemals sich erlaubt haben, ihren Verstand – angewendet auf spirituelle Fragen –
zu entwickeln! Wer spirituell mündig werden möchte, der sollte seinen Verstand
einschalten! Und wer sucht, der findet: Wir können zu Antworten gelangen zu den
großen Fragen: Warum ist Jesus der Erlöser, warum kommt keiner zum Vater denn
durch IHN? – Dann brauchen wir nicht mehr Götter oder Meister in anderen
Religionen suchen, denn dann haben wir zum Meister aller Meister gefunden! Der
die Wurzel ist für unseren eigenen abendländischen Kulturkreis! Dann suchen wir
im Yoga den Weg zur Harmonisierung von Körper und Seele, aber wir sind so
souverän, das Yoga zu befreien von der Bindung an „Meister“ und von der
Anbetung fremder Götter. Wir suchen dann nicht mehr „Meister“, sondern Lehrer,
wir suchen dann nicht mehr „Götter“, sondern den Weg zu dem einen Gott im
eigenen Innern!
Wenn eine neue Form der spirituellen Gemeinschaft entsteht,
die die Kraft entwickelt, einen neuen sakralen Raum aufzubauen, dann kann ein
neues Weihnachten entstehen.