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Zum Reformationstag 2017

Als Lebens-„Reformer“ hat natürlich der „Reformations“-Tag für mich eine besondere Bedeutung. Ob es darum geht, das Leben zu reformieren oder die Kirche zu reformieren – es geht in jedem Fall darum, alte Irrtümer über Bord zu werfen, damit man mit neuem Schwung den Weg zu einem Leben im Einlang mit der Natur, zu einem Leben im Einklang mit den Gesetzen des Universums, oder anders gesagt: zu einem gottgefälligen Leben weiterverfolgen kann.  

Wir erinnern an Luther, heute geht sogar ein ganzes „Luther-Jahr“ zuende. Warum erinnern wir eigentlich an Luther, warum ist er für uns heute noch so wichtig? – offenbar sogar konfessionsübergreifend, denn heute wird der Feiertag auch in den katholisch geprägten Bundesländern gefeiert!  

Luther ist für alle Konfessionen wichtig, weil er zu seiner Zeit Fehlentwicklungen in der Kirche angeprangert hat, die sich als Repräsentantin des Christentums versteht. Die „protestantische“ Kirche ist entstanden, um die lutherischen Reformen aufzunehmen. Aber auch die katholische Kirche hat wohl oder übel Einiges von den lutherischen Reformen im Laufe der Zeit übernehmen müssen: der Ablasshandel wurde abgeschafft, und die Bibel, die sie ausschließlich den lateinbewanderten Klerikern zugänglich machen wollte, wurde auch in der katholischen Kirche den sogenannten „Laien“ zugänglich gemacht.  

Welchen Sinn sollte es haben, wenn wir nun heute konfessionsübergreifend an Luther erinnern, wenn nicht, erneut zu fragen, wo es Fehlentwicklungen in der Kirche gibt, wo man weiter reformieren muss. Denn „Reformation“ ist ja nicht abgeschlossen!  

Ich denke da zum Beispiel an folgende drei Punkte:  

-          Matth. 26, Vers 52:
„Stecke dein Schwert an seinen Ort!  Denn wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen“.
Die Amtskirchen segnen bis heute die Waffen und halten ein Töten im Kriegsfall für richtig! Jesus aber war Pazifist. Er wollte nicht, dass Petrus Sein Leben mit dem Schwerte verteidigt. Die Einstellung der Kirchen zu Krieg und Gewalt ist ein Schlag ins Gesicht Jesu und seiner friedvollen Lehre, die die Einheit unter den Menschen und den Naturreichen beinhaltet.

-          Bei der Aussendung der Apostel sagt Jesus:
„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ (Matth. 10, Vers 8)
Geht hieraus nicht eindeutig hervor, dass Jesus kein Berufspriestertum wollte?

-          Matth. 28, Vers 19:
„Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie…“
Könnte das nicht bedeuten, dass der Taufe die Lehre voranzustellen ist, dass also erst der belehrte Mensch, der sich frei entscheiden kann, getauft werden soll, dass also eine Säuglingstaufe nicht christlich sein kann?

Fehlentwicklungen im Christentum gab es von Anbeginn. Als das Christentum noch eine Untergrundbewegung war, galt ganz selbstverständlich als Christ, wer den Wehrdienst verweigerte und wer kein Fleisch aß. Als das Christentum unter Kaiser Konstantin den Großen (zwischen 270 und 288 bis 337) zur Staatsreligion wurde, verkehrte sich die Auffassung vom Christentum in das genaue Gegenteil: Fortan galt als ein rechtschaffener Christ, wer den Wehrdienst leistete und Fleisch aß. Das ging soweit, dass ein Vegetarier allein aufgrund seiner Ernährungsweise als Ketzer beschuldigt und zu Tode gefoltert wurde. Die Wehrdienstverweigerung und der Vegetarismus sind ganz klar noch von der ursprünglichen Lehre Jesu geprägt, die als wichtige Säule die Gewaltlosigkeit beinhaltete. In der Kirche wurde die Abwendung von Wehrdienstverweigerung und vom Vegetarismus seit Kaiser Konstantin jedoch beibehalten! Die Reformation kann noch nicht fertig sein!

Im weiteren Verlauf wurde auf verschiedenen Konzilen die Lehre Jesu noch weiter verstümmelt und auch teilweise verdreht: Nicht nur die Stellen über die Tierliebe Jesu wurden aus den gängigen Schriften entfernt, sondern auch zentrale Lehren wie die Reinkarnation. In der römisch-katholischen Kirche wurde die Marienverehrung eingeführt, obwohl eine Stelle in der Bibel aufzeigt, dass sich Jesus dagegen verwahrt und den Schwerpunkt auf das Leben nach seiner Lehre legt:  

Lukas 11, Vers 27 -28:
Und es begab sich, da er solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast. Er aber sprach: Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.“  

„Das Wort Gottes bewahren“ heißt natürlich, danach zu leben.  

Diese Interpretation dieser Bibelstelle wird unterstützt von einer weiteren Bibelstelle, wo es heißt:  
„Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.“ (Matth. 7, Vers 24).  

Diese Stelle widerspricht der lutherischen Auffassung, allein durch den Glauben könne man das Ewige Leben erlangen („sola fide“). Die Lehren Jesu sind keine hübschen Märchengeschichten, wie es die Kirchen gerne darstellen, sondern unmittelbare Handlungsanweisungen und Lebenshilfen. Dieser Auffassung wollen sich die Kirchen natürlich nicht anschließen, da sie in so vielen Punkten, wie oben beispielhaft dargestellt, dann offen gegen die Lehren Jesu handeln würden. Auch die lutherische Kirche muss offenbar reformiert werden! 

Daher gibt es in der Geschichte des Christentums immer wieder Strömungen, die die ursprüngliche Lehre Jesu von späteren Veränderungen und Fehlinterpretationen befreien wollen, um das wahre Christentum, das UR-Christentum wieder freizulegen. Letztendlich geht es ja nicht darum, die Kirche zu reformieren, sondern das Christentum! Die Reformation des Christentum könnte ja auch bedeuten, die Kirche endlich einzumotten! (mit „die Kirche“ ist hier stets die menschgeschaffene Institution gemeint)  

In der heutigen Zeit gibt es die Gemeinschaft „Universelles Leben“, aufbauend auf den Offenbarungen die durch Gabriele von Würzburg übermittelt wurden, ca. 1977 bis 2000. In dieser Gemeinschaft war ich lange aktiv und habe dieser Gemeinschaft sehr viel zu verdanken. Natürlich wurde sie durch die kirchlichen und staatlichen „Sektenbeauftragten“ verfolgt und den übelsten Verdächtigungen ausgesetzt. „Sekte“ ist heutzutage ein Schimpfwort, wie es früher mal „Ketzer“ war. Sonderbar ist, dass in unserer liberalen und weltanschaulich offenen Gesellschaft nicht diese selbsternannten Weltanschauungswächter argwöhnisch beäugt werden, sondern meist nur „die Sekten“. Sonderbar auch, dass nicht nur die vielen Lügen oft nicht hinterfragt werden, sondern dass dieses Messen mit zweierlei Maß meist einfach so hingenommen und übernommen wird. Zum Beispiel ist es nur für sehr Wenige ein Anlass zur Kritik, wenn die Kirchen Aktien von Rüstungsbetrieben führen oder wenn kirchlich geprägte Unternehmer weltweite Konzerne aufbauen. Wenn aber Urchristen sich zusammenschließen, um mittelständische Betriebe aufzubauen, so spricht man gleich von einem „Imperium“, und so etwas sei ja mit einer religiösen Absicht gar nicht zu vereinbaren. Wie „weltanschaulich neutral“ ist ein Staat, der die Mitgliedsbeiträge zweier bestimmter religiöser Gemeinschaften einziehen hilft, und der nachweislich daran mitwirkt, die beruflichen Laufbahnen von Anhängern von Gemeinschaften, die er als „Sekten“ definiert, zu behindern?  

Man unterstellt Angehörigen dieser Gemeinschaft pauschal „psychisch labil“ zu sein, denn eine andere Erklärung für die Begeisterung für religiöse Lehren und Gemeinschaften, die nicht kirchlich sind, kann sich der „Normalbürger“ nicht erklären. Warum soll einer, der als Säugling getauft wurde und sich als Erwachsener diese Bevormundung nicht infrage stellt, psychisch stabil sein, aber einer, der sich aus freiem Willen für eine religiöse Gemeinschaft entscheidet, die in seinem gesellschaftlichen Umfeld weitgehend verfemt wird, nicht? Die diffamierenden Berichte der „Aussteiger“ aus diesen Gemeinschaften werden gerne ohne Prüfung geglaubt, und man fühlt sich dadurch in seinen Vorbehalten bestätigt. Aber könnte es nicht sein, dass es gerade die Aussteiger sind, die oft psychisch labil sind? Denn sie haben sich etwas Äußeres erhofft, eine Integration, eine menschliche Wärme, eine berufliche Sicherheit oder eine Anerkennung, die sie im normalen Leben aufgrund persönlicher Defizite nicht finden konnten. Nach meiner Wahrnehmung kommen die meisten Berichte von Aussteigern, die haltlose Anschuldigungen an das Universelle Leben von sich gaben, von Menschen, die enttäuscht waren, dass es ihnen in der Gemeinschaft des Universellen Lebens auch nicht besser ging, als „draußen“. Diese Projektion äußerer Hoffnungen auf eine mystische Gemeinschaft, deren primäres Ziel es ist, das innere Leben wieder zu erschließen, sollte aus der Bibel bekannt sein: Viele der Begeisterten, die Jesus beim Einzug in Jerusalem mit ‚Hosianna‘ begrüßten, verbanden mit ihm die Hoffnung auf ein Ablösen der römischen Vorherrschaft, auf den „König der Juden“, der sein Königreich im Äußeren errichten würden. Kurze Zeit später riefen dieselben aus Enttäuschung ‚Kreuzigt ihn‘, weil sie ihre Hoffnungen nicht erfüllt sahen, und dieser utopisch daherredende Jesus im Gegenteil noch Ansprüche an sie stellte, was sie in ihrem Leben zu ändern hätten. Sehr viele der heutigen Aussteiger, die maßlos ihren Unrat über dem Universellen Leben entluden, sind diesen Bürgern Jerusalems zu vergleichen, die ihre Meinung binnen kurzem von ‚Hosianna‘ zu ‚Kreuzigt ihn‘ verkehrten. Wo bleibt unsere biblische Grundbildung, wenn wir diese psychologischen Mechanismen nicht durchschauen???  

Worauf ich hinaus will, ist zu betonen, wie wichtig es ist, sich von den Vorbehalten gegenüber den sogenannten „Sekten“ zu befreien, weil wir eine Erneuerung des Christentums dringend brauchen! Wir können wohl kaum erwarten, dass diese Erneuerung wirklich aus den Reihen der „Amtskirchen“ kommen, die einen Reformator feiern, der durch mehrere Jahrhunderte Abstand weit genug weg ist und keine Gefahr mehr darstellt! Die Frage nach ein paar ganz offensichtlichen Punkten, wo auch heute noch Reformationsbedarf besteht – wie oben angeführt – wird lieber nicht gestellt. Es ist doch offensichtlich dass man innerhalb der großen Amtskirchen viel zu sehr an seinen heiligen Kühen und goldenen Kälbern hängt, um sie freiwillig zu schlachten.  

Wir brauchen dringend kleine religiöse Neu-Offenbarungs-Gesellschaften! Aber all das soll nicht bedeuten, dass es keine berechtigte Kritik gibt an kleinen religiösen Gemeinschaften, das betrifft auch das Universelle Leben. Auch dort gibt es Gruppendruck und Gruppenzwänge, auch dort hat sich vielfach eine äußere Hierarchie eingeschlichen. Das ist keine Kritik am Universellen Leben an sich, sondern nur an gewissen Vorgängen und Abläufen, die durch die menschliche Verführbarkeit sich eingeschlichen haben. Geschwister stellen sich über andere Geschwister und drohen ihnen mit Ausschluss, wenn die anderen nicht ihrer Interpretation folgen, wie die urchristlichen Lehren umzusetzen seien. Geschwister schreiben anderen Geschwistern vor, wie sie zu leben haben, welchen Partner sie zu wählen haben usw.. Umgekehrt schauen viele Anhänger zu anderen Geschwistern auf, die sie für „weiter“ halten und trauen sich keine eigene Meinung mehr zu. Sehr vieles, was über die Lautsprecher aus der Zentrale gesendet wird, wird kritiklos hingenommen, während die gleichen Ideen und Vorschläge, die zuvor von „einfachen Geschwistern“ vor Ort geäußert wurden, abgetan wurden. Der Lebensstil der Geschwister in der Zentrale wurde gerne übernommen, bis hin zu Geschmacksfragen in Kleidung und Einrichtung. Kurzum – vor den Abgründen menschlicher Schwächen blieb natürlich auch das Universelle Leben nicht verschont. Selberdenken ist für die meisten Menschen unbequem, und wenn die Absolute Wahrheit aus einem Lautsprecher kommt, dann verführt das viele dazu, sich von ihrem eigenen Denken und Empfinden zu entfremden. Wer hier seine Vorbehalte gegenüber Sekten bestätigt sieht und jetzt sagt „na, dacht‘ ich’s mir doch“, der hat nicht zuende gedacht. Denn das darf natürlich nicht dahin führen, dass es keine kleineren weltanschaulichen Gemeinschaften mehr geben darf, die ihre eigenen Auffassungen von der religiösen Wahrheit anbieten. Es stellt sich einfach nur die Frage an den Anhänger: Wie geht er damit um? „Das Universelle Leben“ an sich bzw. die Prophetin bzw. Christus, der sich durch die Prophetin offenbart, haben keine Schuld an den menschlichen Auswüchsen, die sich in der Gemeinschaft vorausschaubar gebildet haben. Das Lehrwerk an sich wird davon in keiner Weise berührt. Und die Gemeinschaft Universelles Leben hat noch genügend Kräfte und Spielräume zur Selbstkorrektur, so dass sich viele Fehler aus der Anfangszeit dieser Gemeinschaft mit der Zeit von alleine korrigieren und verwachsen.  

Mich selber könnte man als Aussteiger bezeichnen, weil ich 16 Jahre lang sehr aktiv war in dieser Bewegung, viele Veranstaltungen, Seminare und Arbeitskreise besucht habe und einen Großteil meiner freien Zeit damit verbracht habe, meinen ehrenamtlichen Aufgaben im Universellen Leben nachzukommen. Davon habe ich mich heute zurückgezogen, mein persönlicher Weg der Entwicklung hat mich so geführt, aber ich sehe mich deshalb nicht als Aussteiger. „Das Universelle Leben“ hat niemals diesen Rückzug be- oder verurteilt, ich war und bin weiterhin willkommen. Die Richtigkeit der Aussage „hier darf jeder jederzeit frei kommen und wieder gehen“ durfte ich im Universellen Leben selber erleben. Innerlich fühle ich mich der Lehre und der Gemeinschaft weiterhin verbunden, und ich bin mir eigentlich auch sicher, es kommt wieder eine Zeit, wo sich meine Aktivitäten wieder mehr in der Gemeinschaft von Glaubensgeschwistern vollziehen werden, ob in diesem oder in einem anderen Leben.  

Aber dass ich mein privates und berufliches Umfeld nun inmitten von „Weltgeschwistern“ gefunden habe, ist für mich eine wichtige Erfahrung. Denn ich erfahre mehr und mehr eine innere Nähe zu vielen dieser „Weltgeschwister“, so dass die Unterscheidung zwischen „Glaubens–“ und „Weltgeschwistern“ im täglichen Leben gar nicht mehr mein Thema ist.  

Vor kurzem hatte ich einen Gesprächs-Austausch mit einem anderen „EX-UL’er“. Im Nachgang hat es mir einen Aspekt bewusst gemacht, der auch mit meinem eigenen Rückzug zu tun hat.  

Der Abstand zum Universellen Leben ist für ihn sehr wichtig, um sich selbst zu finden, um das Leben ohne eine vorgegebene Weltanschauung unmittelbar zu erfahren, keine Lehrer mehr zu benötigen, die ihm vermitteln, was er zu denken und zu glauben habe.  

Er berichtete, dass er mittlerweile jegliche Hierarchien ablehne. Und da musste ich mich sehr wundern, da es doch für mich eine der geistigen Lehren war, die uns im Universellen Leben vermittelt wurden, zwischen weltlichen und geistigen Hierarchien zu unterscheiden. Er aber warf einfach beides in einen Topf. Es stellte sich die Frage, ob wir nicht nur andere Begrifflichkeiten verwendeten, aber inhaltlich gab es doch die Differenz, dass er einfach jegliche Hierarchie ablehnte, während ich mich bereitwillig in eine geistige Hierarchie einfüge. Wir verständigten uns darauf, uns gegenseitig unsere Sichtweise zu lassen, wenn es für unsere derzeitige Phase auf unserem individuellen seelischen Entwicklungsweg hilfreich ist.  

Ein anderer Punkt beschäftigte mich noch mehr: „Gott“ und „Christus“ bezeichnete er als Reizwörter. Er sagte sinngemäß, er wolle eben das Leben nun ohne solche Vorgaben erfahren, frei von jeder vorgegebenen „Lehre“. Ich erwiderte, dass das Christentum für mich nicht nur einfach eine Lehre ist, sondern dass „Christus“ für mich auch eine Person ist, die ich in mein Herz mit aufgenommen habe. Für mich heißt das nicht nur, eine Lehre beiseitezuschieben oder infrage zu stellen, damit habe ich überhaupt kein Problem. Aber es ist für mich darüber hinaus wie Christus persönlich die Freundschaft zu kündigen. War denn gar nichts gewesen zwischen uns?  

Ich will es versuchen zu beschreiben, was Christus mir bedeutet: Irgendwann kam in meinem Leben die unglaubliche und wunderschöne Erkenntnis, dass Christus das Herz aller Dinge ist, das auch in mir selber wohnt. Das ist, als ob ein Funke an ein riesiges Bündel unauslöschlicher Wunderkerzen gerät und sie in Brand steckt. Diese Wunderkerzen sind in mir, sie sind das Christuslicht, das in mir brennt und nie ausgeht, und an das ich mich immer in meinem Leben wenden darf. Die Bibelchristen bezeichnen dieses Erlebnis als „Wiedergeburt“. Doch im Gegensatz zu ihnen denke ich nicht, mit diesem Erlebnis sei alles getan, sondern für mich ist das nur DER ANFANG für einen langen Weg. Meine menschlichen Schwächen, Wünsche und Vorstellungen sind mit diesem Erlebnis nicht ausgelöscht, nun entbrennt ein langer Widerstreit zwischen Licht und Finsternis, zwischen den satanischen und den göttlichen Kräften. Aber „Christus in mir“ – das ist das wunderbare Erlebnis der Wiedergeburt, das in meiner Wahrnehmung unauslöschlich ist. Wie sehr ich auch immer wieder in diesem Leben strauchele, ich kann mich immer wieder an ihn wenden und um seine Vergebung und seinen Beistand bitten.  

Es ist für mich unvorstellbar, ihn nach diesem Erlebnis „in die Ecke zu stellen“. Es war für mich das Erlebnis, was mich zum Universellen Leben geführt hat, und ich bin einfach davon ausgegangen, das müsste bei jedem anderen Geschwister ebenso gewesen sein. Aber schon mehrmals musste ich es feststellen: Es ist nicht so. Die Anhänger im Universellen Leben kommen aus unterschiedlichen Gründen, und das müssen nicht gleich verwerfliche Gründe sein, wenn es nicht der innere Christus ist. Jeder seelische Entwicklungs- und Erkenntnisweg ist anders, jeder darf auf eigene Weise die Erfahrungen machen, die für ihn wichtig sind. Nur erkenne ich auch hierin wieder die Illusion, die „Glaubensgeschwister“ würden mir alle innerlich nahestehen und von den „Weltgeschwistern“ würde mich dafür Unüberbrückbares trennen.  

Dennoch kommt hier für mich auch ein Defizit in der Gemeinschaft Universelles Leben zum Ausdruck: Das Gebets- und Meditationsleben fand vor allem entweder in der Gemeinschaft unter einer Anleitung statt oder mit laufenden Textcassetten. Wenn es hieß „Nun gehen wir in die Stille…“ folgte unmittelbar nicht etwa die Stille, sondern ein geistiger Text, dem man lauschen durfte. Daran ist nichts Verkehrtes, nur fehlte die Hinführung zu einer aus sich selbst ausgeübten Meditation. In das Gebetsleben meiner Geschwister kann ich nicht hineingucken, jedoch gehe ich heute mehr als früher davon aus, dass auch das frei geführte individuelle Gebet zu Christus „im stillen Kämmerlein“ oder in der Natur eher die Ausnahme als die Regel war. Es hatten wohl nicht nur „in der Welt“, sondern auch im Universellen Leben nur die Wenigsten diesen freien unmittelbaren Zugang zum eigenen Inneren. Wir waren zu sehr gegängelt und gestützt durch die ständigen Textcassetten und Lautsprecher-Übertragungen.  

Das spielte mit hinein zu meinem Rückzug von den Schulungen und Veranstaltungen: Um meiner „inneren Spur“ zu folgen, hatte ich das Bedürfnis danach.  

Es ist das Dilemma einer jeden weltanschaulichen Gemeinschaft: Das Gemeinschaftsleben verleitet zu gewissen Herdenreflexen: Unterordnung, Abgeben des Denkens, kritiklos hingenommene Leithammel-Strukturen. Das ist ein Punkt, der auch das Universelle Leben betraf, der aber nicht dazu führen sollte, das Universelle Leben als Sekte zu verteufeln – genau so wenig wie viele andere weltanschauliche Gemeinschaften, die aus einem idealistischen Impuls heraus gegründet wurden, und in die im Laufe der Jahre unweigerlich die noch in jedem einzelnen Anhänger vorhandenen Herdenreflexe eingesickert sind, mehr oder weniger. Das Ideal wäre eine Gemeinschaft, gebildet aus autarken Individualisten. Nur eine solche Gemeinschaft kann die urchristlichen Ideale von Gemeinschaft wirklich erfüllen.

Eine Suppe kann nie besser sein als ihre Zutaten. Hier haben wir genau den Punkt, wo sich die Reformation neu beleben muss: in jedem Einzelnen.



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