Als Lebens-„Reformer“ hat
natürlich der „Reformations“-Tag für mich eine besondere Bedeutung. Ob es darum
geht, das Leben zu reformieren oder die Kirche zu reformieren – es geht in
jedem Fall darum, alte Irrtümer über Bord zu werfen, damit man mit neuem
Schwung den Weg zu einem Leben im Einlang mit der Natur, zu einem Leben im
Einklang mit den Gesetzen des Universums, oder anders gesagt: zu einem
gottgefälligen Leben weiterverfolgen kann.
Wir erinnern an Luther, heute
geht sogar ein ganzes „Luther-Jahr“ zuende. Warum erinnern wir eigentlich an
Luther, warum ist er für uns heute noch so wichtig? – offenbar sogar
konfessionsübergreifend, denn heute wird der Feiertag auch in den katholisch
geprägten Bundesländern gefeiert!
Luther ist für alle Konfessionen
wichtig, weil er zu seiner Zeit Fehlentwicklungen in der Kirche angeprangert
hat, die sich als Repräsentantin des Christentums versteht. Die
„protestantische“ Kirche ist entstanden, um die lutherischen Reformen
aufzunehmen. Aber auch die katholische Kirche hat wohl oder übel Einiges von
den lutherischen Reformen im Laufe der Zeit übernehmen müssen: der Ablasshandel
wurde abgeschafft, und die Bibel, die sie ausschließlich den lateinbewanderten
Klerikern zugänglich machen wollte, wurde auch in der katholischen Kirche den
sogenannten „Laien“ zugänglich gemacht.
Welchen Sinn sollte es haben,
wenn wir nun heute konfessionsübergreifend an Luther erinnern, wenn nicht,
erneut zu fragen, wo es Fehlentwicklungen in der Kirche gibt, wo man weiter
reformieren muss. Denn „Reformation“ ist ja nicht abgeschlossen!
Ich denke da zum Beispiel an
folgende drei Punkte:
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Matth. 26, Vers 52:
„Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn
wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen“.
Die Amtskirchen segnen bis heute die Waffen und halten ein Töten im Kriegsfall
für richtig! Jesus aber war Pazifist. Er wollte nicht, dass Petrus Sein Leben
mit dem Schwerte verteidigt. Die Einstellung der Kirchen zu Krieg und Gewalt
ist ein Schlag ins Gesicht Jesu und seiner friedvollen Lehre, die die Einheit
unter den Menschen und den Naturreichen beinhaltet.
-
Bei der Aussendung der Apostel sagt Jesus:
„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.“ (Matth. 10, Vers 8)
Geht hieraus nicht eindeutig hervor, dass Jesus kein Berufspriestertum wollte?
-
Matth. 28, Vers 19:
„Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie…“
Könnte das nicht
bedeuten, dass der Taufe die Lehre voranzustellen ist, dass also erst der
belehrte Mensch, der sich frei entscheiden kann, getauft werden soll, dass also
eine Säuglingstaufe nicht christlich sein kann?
Fehlentwicklungen im Christentum
gab es von Anbeginn. Als das Christentum noch eine Untergrundbewegung war, galt
ganz selbstverständlich als Christ, wer den Wehrdienst verweigerte und wer kein
Fleisch aß. Als das Christentum unter Kaiser Konstantin den Großen (zwischen
270 und 288 bis 337) zur Staatsreligion wurde, verkehrte sich die Auffassung
vom Christentum in das genaue Gegenteil: Fortan galt als ein rechtschaffener
Christ, wer den Wehrdienst leistete und Fleisch aß. Das ging soweit, dass ein
Vegetarier allein aufgrund seiner Ernährungsweise als Ketzer beschuldigt und zu
Tode gefoltert wurde. Die Wehrdienstverweigerung und der Vegetarismus sind ganz
klar noch von der ursprünglichen Lehre Jesu geprägt, die als wichtige Säule die
Gewaltlosigkeit beinhaltete.
In der Kirche wurde die Abwendung von Wehrdienstverweigerung und vom Vegetarismus seit Kaiser Konstantin jedoch beibehalten! Die Reformation kann noch nicht fertig sein!
Im weiteren Verlauf wurde auf
verschiedenen Konzilen die Lehre Jesu noch weiter verstümmelt und auch
teilweise verdreht: Nicht nur die Stellen über die Tierliebe Jesu wurden aus
den gängigen Schriften entfernt, sondern auch zentrale Lehren wie die
Reinkarnation. In der römisch-katholischen Kirche wurde die Marienverehrung
eingeführt, obwohl eine Stelle in der Bibel aufzeigt, dass sich Jesus dagegen
verwahrt und den Schwerpunkt auf das Leben nach seiner Lehre legt:
Lukas 11, Vers 27 -28:
„Und es begab sich, da er
solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: Selig ist
der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast. Er aber
sprach: Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.“
„Das Wort Gottes bewahren“ heißt
natürlich, danach zu leben.
Diese Interpretation dieser
Bibelstelle wird unterstützt von einer weiteren Bibelstelle, wo es heißt:
„Jeder, der diese meine Worte
hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels
baute.“ (Matth. 7, Vers 24).
Diese Stelle widerspricht der
lutherischen Auffassung, allein durch den Glauben könne man das Ewige Leben
erlangen („sola fide“). Die Lehren Jesu sind keine hübschen Märchengeschichten,
wie es die Kirchen gerne darstellen, sondern unmittelbare Handlungsanweisungen
und Lebenshilfen. Dieser Auffassung wollen sich die Kirchen natürlich nicht
anschließen, da sie in so vielen Punkten, wie oben beispielhaft dargestellt,
dann offen gegen die Lehren Jesu handeln würden.
Auch die lutherische Kirche muss offenbar reformiert werden!
Daher gibt es in der Geschichte
des Christentums immer wieder Strömungen, die die ursprüngliche Lehre Jesu von
späteren Veränderungen und Fehlinterpretationen befreien wollen, um das wahre
Christentum, das UR-Christentum wieder freizulegen. Letztendlich geht es ja
nicht darum, die Kirche zu reformieren, sondern das Christentum! Die
Reformation des Christentum könnte ja auch bedeuten, die Kirche endlich
einzumotten! (mit „die Kirche“ ist hier stets die menschgeschaffene Institution
gemeint)
In der heutigen Zeit gibt es die
Gemeinschaft „Universelles Leben“, aufbauend auf den Offenbarungen die durch
Gabriele von Würzburg übermittelt wurden, ca. 1977 bis 2000. In dieser
Gemeinschaft war ich lange aktiv und habe dieser Gemeinschaft sehr viel zu
verdanken. Natürlich wurde sie durch die kirchlichen und staatlichen
„Sektenbeauftragten“ verfolgt und den übelsten Verdächtigungen ausgesetzt.
„Sekte“ ist heutzutage ein Schimpfwort, wie es früher mal „Ketzer“ war.
Sonderbar ist, dass in unserer liberalen und weltanschaulich offenen
Gesellschaft nicht diese selbsternannten Weltanschauungswächter argwöhnisch
beäugt werden, sondern meist nur „die Sekten“. Sonderbar auch, dass nicht nur
die vielen Lügen oft nicht hinterfragt werden, sondern dass dieses Messen mit
zweierlei Maß meist einfach so hingenommen und übernommen wird. Zum Beispiel
ist es nur für sehr Wenige ein Anlass zur Kritik, wenn die Kirchen Aktien von
Rüstungsbetrieben führen oder wenn kirchlich geprägte Unternehmer weltweite
Konzerne aufbauen. Wenn aber Urchristen sich zusammenschließen, um
mittelständische Betriebe aufzubauen, so spricht man gleich von einem „Imperium“,
und so etwas sei ja mit einer religiösen Absicht gar nicht zu vereinbaren. Wie
„weltanschaulich neutral“ ist ein Staat, der die Mitgliedsbeiträge zweier
bestimmter religiöser Gemeinschaften einziehen hilft, und der nachweislich
daran mitwirkt, die beruflichen Laufbahnen von Anhängern von Gemeinschaften,
die er als „Sekten“ definiert, zu behindern?
Man unterstellt Angehörigen
dieser Gemeinschaft pauschal „psychisch labil“ zu sein, denn eine andere
Erklärung für die Begeisterung für religiöse Lehren und Gemeinschaften, die
nicht kirchlich sind, kann sich der „Normalbürger“ nicht erklären. Warum soll
einer, der als Säugling getauft wurde und sich als Erwachsener diese
Bevormundung nicht infrage stellt, psychisch stabil sein, aber einer, der sich
aus freiem Willen für eine religiöse Gemeinschaft entscheidet, die in seinem gesellschaftlichen
Umfeld weitgehend verfemt wird, nicht? Die diffamierenden Berichte der
„Aussteiger“ aus diesen Gemeinschaften werden gerne ohne Prüfung geglaubt, und
man fühlt sich dadurch in seinen Vorbehalten bestätigt. Aber könnte es nicht
sein, dass es gerade die Aussteiger sind, die oft psychisch labil sind? Denn
sie haben sich etwas Äußeres erhofft, eine Integration, eine menschliche Wärme,
eine berufliche Sicherheit oder eine Anerkennung, die sie im normalen Leben
aufgrund persönlicher Defizite nicht finden konnten. Nach meiner Wahrnehmung
kommen die meisten Berichte von Aussteigern, die haltlose Anschuldigungen an
das Universelle Leben von sich gaben, von Menschen, die enttäuscht waren, dass
es ihnen in der Gemeinschaft des Universellen Lebens auch nicht besser ging,
als „draußen“. Diese Projektion äußerer Hoffnungen auf eine mystische
Gemeinschaft, deren primäres Ziel es ist, das innere Leben wieder zu
erschließen, sollte aus der Bibel bekannt sein: Viele der Begeisterten, die
Jesus beim Einzug in Jerusalem mit ‚Hosianna‘ begrüßten, verbanden mit ihm die
Hoffnung auf ein Ablösen der römischen Vorherrschaft, auf den „König der
Juden“, der sein Königreich im Äußeren errichten würden. Kurze Zeit später
riefen dieselben aus Enttäuschung ‚Kreuzigt ihn‘, weil sie ihre Hoffnungen nicht
erfüllt sahen, und dieser utopisch daherredende Jesus im Gegenteil noch
Ansprüche an sie stellte, was sie in ihrem Leben zu ändern hätten. Sehr viele
der heutigen Aussteiger, die maßlos ihren Unrat über dem Universellen Leben
entluden, sind diesen Bürgern Jerusalems zu vergleichen, die ihre Meinung
binnen kurzem von ‚Hosianna‘ zu ‚Kreuzigt ihn‘ verkehrten. Wo bleibt unsere
biblische Grundbildung, wenn wir diese psychologischen Mechanismen nicht
durchschauen???
Worauf ich hinaus will, ist zu
betonen, wie wichtig es ist, sich von den Vorbehalten gegenüber den sogenannten
„Sekten“ zu befreien, weil wir eine Erneuerung des Christentums dringend
brauchen! Wir können wohl kaum erwarten, dass diese Erneuerung wirklich aus den
Reihen der „Amtskirchen“ kommen, die einen Reformator feiern, der durch mehrere
Jahrhunderte Abstand weit genug weg ist und keine Gefahr mehr darstellt! Die
Frage nach ein paar ganz offensichtlichen Punkten, wo auch heute noch
Reformationsbedarf besteht – wie oben angeführt – wird lieber nicht gestellt.
Es ist doch offensichtlich dass man innerhalb der großen Amtskirchen viel zu
sehr an seinen heiligen Kühen und goldenen Kälbern hängt, um sie freiwillig zu
schlachten.
Wir brauchen dringend kleine
religiöse Neu-Offenbarungs-Gesellschaften! Aber all das soll nicht bedeuten,
dass es keine berechtigte Kritik gibt an kleinen religiösen Gemeinschaften, das
betrifft auch das Universelle Leben. Auch dort gibt es Gruppendruck und
Gruppenzwänge, auch dort hat sich vielfach eine äußere Hierarchie
eingeschlichen. Das ist keine Kritik am Universellen Leben an sich, sondern nur
an gewissen Vorgängen und Abläufen, die durch die menschliche Verführbarkeit
sich eingeschlichen haben. Geschwister stellen sich über andere Geschwister und
drohen ihnen mit Ausschluss, wenn die anderen nicht ihrer Interpretation
folgen, wie die urchristlichen Lehren umzusetzen seien. Geschwister schreiben
anderen Geschwistern vor, wie sie zu leben haben, welchen Partner sie zu wählen
haben usw.. Umgekehrt schauen viele Anhänger zu anderen Geschwistern auf, die
sie für „weiter“ halten und trauen sich keine eigene Meinung mehr zu. Sehr
vieles, was über die Lautsprecher aus der Zentrale gesendet wird, wird
kritiklos hingenommen, während die gleichen Ideen und Vorschläge, die zuvor von
„einfachen Geschwistern“ vor Ort geäußert wurden, abgetan wurden. Der
Lebensstil der Geschwister in der Zentrale wurde gerne übernommen, bis hin zu
Geschmacksfragen in Kleidung und Einrichtung. Kurzum – vor den Abgründen
menschlicher Schwächen blieb natürlich auch das Universelle Leben nicht
verschont. Selberdenken ist für die meisten Menschen unbequem, und wenn die
Absolute Wahrheit aus einem Lautsprecher kommt, dann verführt das viele dazu,
sich von ihrem eigenen Denken und Empfinden zu entfremden. Wer hier seine
Vorbehalte gegenüber Sekten bestätigt sieht und jetzt sagt „na, dacht‘ ich’s
mir doch“, der hat nicht zuende gedacht. Denn das darf natürlich nicht dahin
führen, dass es keine kleineren weltanschaulichen Gemeinschaften mehr geben
darf, die ihre eigenen Auffassungen von der religiösen Wahrheit anbieten. Es
stellt sich einfach nur die Frage an den Anhänger: Wie geht er damit um? „Das
Universelle Leben“ an sich bzw. die Prophetin bzw. Christus, der sich durch die
Prophetin offenbart, haben keine Schuld an den menschlichen Auswüchsen, die
sich in der Gemeinschaft vorausschaubar gebildet haben. Das Lehrwerk an sich
wird davon in keiner Weise berührt. Und die Gemeinschaft Universelles Leben hat
noch genügend Kräfte und Spielräume zur Selbstkorrektur, so dass sich viele
Fehler aus der Anfangszeit dieser Gemeinschaft mit der Zeit von alleine
korrigieren und verwachsen.
Mich selber könnte man als Aussteiger
bezeichnen, weil ich 16 Jahre lang sehr aktiv war in dieser Bewegung, viele
Veranstaltungen, Seminare und Arbeitskreise besucht habe und einen Großteil
meiner freien Zeit damit verbracht habe, meinen ehrenamtlichen Aufgaben im
Universellen Leben nachzukommen. Davon habe ich mich heute zurückgezogen, mein
persönlicher Weg der Entwicklung hat mich so geführt, aber ich sehe mich
deshalb nicht als Aussteiger. „Das Universelle Leben“ hat niemals diesen
Rückzug be- oder verurteilt, ich war und bin weiterhin willkommen. Die
Richtigkeit der Aussage „hier darf jeder jederzeit frei kommen und wieder
gehen“ durfte ich im Universellen Leben selber erleben. Innerlich fühle ich
mich der Lehre und der Gemeinschaft weiterhin verbunden, und ich bin mir
eigentlich auch sicher, es kommt wieder eine Zeit, wo sich meine Aktivitäten
wieder mehr in der Gemeinschaft von Glaubensgeschwistern vollziehen werden, ob
in diesem oder in einem anderen Leben.
Aber dass ich mein privates und
berufliches Umfeld nun inmitten von „Weltgeschwistern“ gefunden habe, ist für
mich eine wichtige Erfahrung. Denn ich erfahre mehr und mehr eine innere Nähe
zu vielen dieser „Weltgeschwister“, so dass die Unterscheidung zwischen
„Glaubens–“ und „Weltgeschwistern“ im täglichen Leben gar nicht mehr mein Thema
ist.
Vor kurzem hatte ich einen
Gesprächs-Austausch mit einem anderen „EX-UL’er“. Im Nachgang hat es mir einen
Aspekt bewusst gemacht, der auch mit meinem eigenen Rückzug zu tun hat.
Der Abstand zum Universellen
Leben ist für ihn sehr wichtig, um sich selbst zu finden, um das Leben ohne
eine vorgegebene Weltanschauung unmittelbar zu erfahren, keine Lehrer mehr zu
benötigen, die ihm vermitteln, was er zu denken und zu glauben habe.
Er berichtete, dass er
mittlerweile jegliche Hierarchien ablehne. Und da musste ich mich sehr wundern,
da es doch für mich eine der geistigen Lehren war, die uns im Universellen
Leben vermittelt wurden, zwischen weltlichen und geistigen Hierarchien zu
unterscheiden. Er aber warf einfach beides in einen Topf. Es stellte sich die
Frage, ob wir nicht nur andere Begrifflichkeiten verwendeten, aber inhaltlich
gab es doch die Differenz, dass er einfach jegliche Hierarchie ablehnte,
während ich mich bereitwillig in eine geistige Hierarchie einfüge. Wir
verständigten uns darauf, uns gegenseitig unsere Sichtweise zu lassen, wenn es
für unsere derzeitige Phase auf unserem individuellen seelischen
Entwicklungsweg hilfreich ist.
Ein anderer Punkt beschäftigte
mich noch mehr: „Gott“ und „Christus“ bezeichnete er als Reizwörter. Er sagte
sinngemäß, er wolle eben das Leben nun ohne solche Vorgaben erfahren, frei von
jeder vorgegebenen „Lehre“. Ich erwiderte, dass das Christentum für mich nicht
nur einfach eine Lehre ist, sondern dass „Christus“ für mich auch eine Person
ist, die ich in mein Herz mit aufgenommen habe. Für mich heißt das nicht nur,
eine Lehre beiseitezuschieben oder infrage zu stellen, damit habe ich überhaupt
kein Problem. Aber es ist für mich darüber hinaus wie Christus persönlich die
Freundschaft zu kündigen. War denn gar nichts gewesen zwischen uns?
Ich will es versuchen zu
beschreiben, was Christus mir bedeutet: Irgendwann kam in meinem Leben die
unglaubliche und wunderschöne Erkenntnis, dass Christus das Herz aller Dinge
ist, das auch in mir selber wohnt. Das ist, als ob ein Funke an ein riesiges Bündel
unauslöschlicher Wunderkerzen gerät und sie in Brand steckt. Diese Wunderkerzen
sind in mir, sie sind das Christuslicht, das in mir brennt und nie ausgeht, und
an das ich mich immer in meinem Leben wenden darf. Die Bibelchristen bezeichnen
dieses Erlebnis als „Wiedergeburt“. Doch im Gegensatz zu ihnen denke ich nicht,
mit diesem Erlebnis sei alles getan, sondern für mich ist das nur DER ANFANG
für einen langen Weg. Meine menschlichen Schwächen, Wünsche und Vorstellungen
sind mit diesem Erlebnis nicht ausgelöscht, nun entbrennt ein langer
Widerstreit zwischen Licht und Finsternis, zwischen den satanischen und den
göttlichen Kräften. Aber „Christus in mir“ – das ist das wunderbare Erlebnis
der Wiedergeburt, das in meiner Wahrnehmung unauslöschlich ist. Wie sehr ich
auch immer wieder in diesem Leben strauchele, ich kann mich immer wieder an ihn
wenden und um seine Vergebung und seinen Beistand bitten.
Es ist für mich unvorstellbar,
ihn nach diesem Erlebnis „in die Ecke zu stellen“. Es war für mich das Erlebnis,
was mich zum Universellen Leben geführt hat, und ich bin einfach davon
ausgegangen, das müsste bei jedem anderen Geschwister ebenso gewesen sein. Aber
schon mehrmals musste ich es feststellen: Es ist nicht so. Die Anhänger im
Universellen Leben kommen aus unterschiedlichen Gründen, und das müssen nicht
gleich verwerfliche Gründe sein, wenn es nicht der innere Christus ist. Jeder
seelische Entwicklungs- und Erkenntnisweg ist anders, jeder darf auf eigene
Weise die Erfahrungen machen, die für ihn wichtig sind. Nur erkenne ich auch
hierin wieder die Illusion, die „Glaubensgeschwister“ würden mir alle innerlich
nahestehen und von den „Weltgeschwistern“ würde mich dafür Unüberbrückbares
trennen.
Dennoch kommt hier für mich auch
ein Defizit in der Gemeinschaft Universelles Leben zum Ausdruck: Das Gebets-
und Meditationsleben fand vor allem entweder in der Gemeinschaft unter einer
Anleitung statt oder mit laufenden Textcassetten. Wenn es hieß „Nun gehen wir
in die Stille…“ folgte unmittelbar nicht etwa die Stille, sondern ein geistiger
Text, dem man lauschen durfte. Daran ist nichts Verkehrtes, nur fehlte die
Hinführung zu einer aus sich selbst ausgeübten Meditation. In das Gebetsleben
meiner Geschwister kann ich nicht hineingucken, jedoch gehe ich heute mehr als
früher davon aus, dass auch das frei geführte individuelle Gebet zu Christus
„im stillen Kämmerlein“ oder in der Natur eher die Ausnahme als die Regel war.
Es hatten wohl nicht nur „in der Welt“, sondern auch im Universellen Leben nur
die Wenigsten diesen freien unmittelbaren Zugang zum eigenen Inneren. Wir waren
zu sehr gegängelt und gestützt durch die ständigen Textcassetten und
Lautsprecher-Übertragungen.
Das spielte mit hinein zu meinem
Rückzug von den Schulungen und Veranstaltungen: Um meiner „inneren Spur“ zu
folgen, hatte ich das Bedürfnis danach.
Es ist das Dilemma einer jeden
weltanschaulichen Gemeinschaft: Das Gemeinschaftsleben verleitet zu gewissen
Herdenreflexen: Unterordnung, Abgeben des Denkens, kritiklos hingenommene
Leithammel-Strukturen. Das ist ein Punkt, der auch das Universelle Leben
betraf, der aber nicht dazu führen sollte, das Universelle Leben als Sekte zu
verteufeln – genau so wenig wie viele andere weltanschauliche Gemeinschaften,
die aus einem idealistischen Impuls heraus gegründet wurden, und in die im
Laufe der Jahre unweigerlich die noch in jedem einzelnen Anhänger vorhandenen
Herdenreflexe eingesickert sind, mehr oder weniger. Das Ideal wäre eine Gemeinschaft, gebildet aus
autarken Individualisten. Nur eine solche Gemeinschaft kann die urchristlichen
Ideale von Gemeinschaft wirklich erfüllen.
Eine Suppe kann nie besser sein
als ihre Zutaten. Hier haben wir genau den Punkt, wo sich die Reformation neu
beleben muss: in jedem Einzelnen.