Gedichte 1978 - 2008: Eine Auswahl aus 30 Jahren zu den Themen Liebe und Vergänglichkeit, Todessehnsucht und Lebensmut
Igel - Gedicht
Manchmal fühle ich mich wie ein Igelein, das stets bei Gefahr sich rollet sofort ein. Naht ein Luchs, ein Fuchs, ja, oder Wolf heran, sieht er sich nur eine Stachelkugel an.
Aber heute hört ein Igel Autos rolln und versucht, wie früher sich dann einzubolln. Plattgewalzt wird er, und nichts bewirkt sein Schutz, will er dennoch auf ihn baun aus lauter Trutz.
So ich fühle manchmal, wäre nicht gebaut, zu bestehn in dieser Welt, so hektisch, laut. Fordernd muss man seine Zähne zeigen als ein Luchs, seine Rechte sich erklagen als ein Fuchs.
Muss sich seine Beute hetzen zielbewusst, wie ein Wolf, der geht auf großem, flinkem Fuß. Doch der Igel mit den Stummelbeinchen kann nicht sehr viel erreichen, fühl ich dann und wann.
Nicht so gut verkraftet, scheint es manchmal mir, hab ich diese Zeit wie manches andre Tier. Große Räuber passen besser heut hinein. Schwer ist´s heute, so ein scheuer Igel sein.
Doch auch immer, wenn die Liebe nahte zart, rollte ich mich ein und zeigte Stacheln hart. Hab ich mich entrollt, so war die Liebe fort, und ich reute´s bitter noch am selben Ort.
Manchmal wünscht´ ich mir die Liebe voll Geduld, die ganz stille mir verzeiht die Stachel-Schuld, stille wartet, bis ich endlich fass´ Vertraun, mich entrolle und ihr kann ins Auge schaun.
Aber manchmal schon mein Herz erahnen kann: Es gibt eine Liebe, die einst irgendwann, wenn das Igel - Ich sich still und leise trollt, mich dann einfach wie ein Auto überrollt.
1995
Geronto-Do
Verwirrtheit ähnlich wie Strukturen einer Rinde. Verschlungen farbig wirr, so sprudelt Bild um Bild. Gefühle: Angst und Scham und Zartheit wundermild – hier brechen sie sich Bahn, dem, der sie darin finde.
Nicht anzuzweifeln ist das Wort vom greisen Kinde. Dann Schweigen karpfenhaft, dem Weltenwahn nichts gilt. In Tiefen gleitet hin, das Schweigen als ein Schild. Entrückt scheint er manchmal, der beinah Taube, Blinde.
Geschlagen gibt das Herz im Angesichte sich Gebrochner Eitelkeit, Verwelkter Blütetrieb. Und hinter Bosheit steckt so oft verletzter Stolz.
Es kämpft noch gegen sie, dem eigner Stolz nicht wich. Die Demut bald gewinnt die Alten herzlich lieb, erkennt des Andern und dadurch sein eignes Holz.
1995
Alchemie des Lebens
Geheimnis, welches offenbar, nach langer Suche ich dann fand, das vieler Sucher Ziel einst war, bei denen es verlief im Sand.
Zu unscheinbar, zu einfach ist, was Alchemie im Kerne heißt, dass schaue es erhabne List, dass finde es der hohe Geist.
Nur Einfachheit einmal erkennt das Einfache, das offen wirkt. Die Wissenschaft sich leicht verrennt: Sie sucht nach dem, was sich verbirgt.
Ich frug nach Wahrheit wie ein Kind, ich suchte sie in echtem Schmerz. Die Antwort war mir nur ein Wind, traf sie den Kopf und nicht das Herz.
Wer nur für Kopfkonstrukte lebt, erkennt die tiefe Wahrheit nie. Das Herz, das nach der Wahrheit strebt, erkennt die wahre Alchemie.
Kein Yoga, kein Spezialtalent und nicht Askese oder Zwang das Göttliche einmal erkennt - der Weg führt am Gesetz entlang.
Es gibt wohl die Methode nicht, die sicher die Erleuchtung bringt. Nur die Gebote führn zum Licht, nach denen unser Leben schwingt.
Gesetze der Gesundheit sind des Lebenselixiers Substanz. Des Wissens Eisen ist noch blind, der Weisheit Gold ist heller Glanz.
Die Wandlung führt herbei ein Stein, als Stein der Weisen ist bekannt. So lass die Suche nach dem sein, was Alltags Prüfstein wird genannt.
Des Alltags Prüfstein transformiert des Wissens Eisen um in Gold. Gesetz ist Lebenselixier - gelebt erstrahlt’s als Weisheit hold.
Entschlüsselt hab ich Alchemie, doch bin den Klugen ich ein Narr. Es klingt wie eine Blasphemie, was ihnen doch so schwierig war.
Zu einfach ist, was ich geschaut, als dass der Stolz erkennt den Wert. Nur wer dem Ruf des Herzens traut die simple, tiefe Wahrheit ehrt.