herzlichen Dank und Glückwunsch zu Ihrem neuen Traktat! Ich stimme mit Ihnen sehr darin überein, dass weltliche Verankerung und spirituelles Suchen nicht nur zusammengehören, sondern sich gegenseitig bedingen!
Mit der Konstruktion Ihres Wertequadrates bin ich mit der "oberen Etage" einverstanden, jedoch scheint mir der "Aberglauben" hier falsch platziert. Zu fragen wäre im Sinne der Konstruktion des Wertequadrates: Was ist des Guten zu viel an spiritueller Ausrichtung? Und dann kommt man nicht auf den Aberglauben, sondern wahrscheinlich auf eine weltfremde Abgehobenheit oder.... (das wissen Sie besser!)
Möge Ihr neues Buch all die Menschen erreichen, die darauf ansprechen und es somit verdienen!
Mit herzlichen Grüßen, Ihr F. Schulz von Thun
27.07.2013
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. F. Schulz von Thun,
vielen Dank Ihre guten Wünsche für die Verbreitung und für Ihre Rückmeldung! Bitte erlauben Sie mir, dass ich kurz darauf eingehe.
Inhaltlich meinen wir dasselbe, davon bin ich überzeugt. Aber Ihre Rückmeldung zeigt mir, dass ich mich missverständlich ausdrücke, bzw. meine Begriffe nicht genug erläutere. Es geht mir genau darum: um "weltfremde Abgehobenheit". Aber was ist das? Ist es nicht genau das, wenn man in einem Glauben lebt, der an der Realität vorbeigeht? Und nennt man nicht genau das auch Aberglaube? Das kann natürlich verschiedene Formen haben wie Fanatismus und Weltverachtung (der Irrglaube, das was man verdrängt, sei gelöst), wie Hängen an rituellen Vorschriften (der Irrglauben, dass man durch Gebete zu bestimmten Zeiten, durch drei Ave-Maria, durch Beschneidungen, oder durch Zur-Schau-Stellung von religiösen Symbolen auch nur einen Hauch spiritueller werde) oder wie falsch verstandenes Gottvertrauen (Vertrauen auf Gott, ohne die eigenen Kräfte einzusetzen).
Das alles nenne ich Aberglaube. Ich weiß, dass der Begriff Aberglaube normalerweise nicht in dieser Form verwendet wird, sondern dass man dabei an die schwarze Katze denkt, die von rechts den Weg kreuzt oder an die pechbringende 13 oder solche Sachen. Ich finde aber den Begriff "Aberglaube" so passend für diese Formen der weltfremden Abgehobenheit, weil er in so wunderbar starker Weise ausdrückt, dass man aus spiritueller Übersteigerung den Wirklichkeitssinn verliert, in einem falschen Glauben lebt, eben in einem Aber-Glauben.
Das "Wertequadrat" verwende ich in dem Buch an zwei weiteren Stellen, und es hilft mir sowohl in meinen verstiegenen theologischen Überlegungen als auch in meiner Arbeit als Sozialpädagoge immer wieder.
Herzliche Grüße
Sebastian Stranz
31.07.2013
Sehr geehrter Herr Stranz,
vielen Dank für diese Erläuterung! Ja, wenn Sie den Begriff "Aberglaube" in dieser Weise verstehen und ausweiten, dann stimmt es ja wieder! Aber in der Tat, im normalen Sprachgebrauch wird der Begriff banaler gehandhabt, ganz wie Sie schreiben.
Herzliche Grüße, ja, gerne einverstanden, wenn Sie den Briefwechsel auf die Homepage stellen. Vielleicht wäre es für den Interessenten dienlich, meine neuen Ausführungen zum Wertequadrat im
Band Miteinander reden, Fragen und Antworten (2007)
zu kennen. Hier wird die Eignung dieser Denkfigur für existenzielle Fragen schön deutlich.