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Juli 2008

Vielen Menschen bedeutet die christliche Botschaft nichts mehr. Sie meinen, das wäre etwas Veraltetes und Überholtes, oder in jedem Fall etwas, was mit ihrem eigenen Leben nichts zu tun hätte. Das liegt offensichtlich daran, dass sie ein falsches Bild von der christlichen Botschaft haben.

-         Sie meinen, die christliche Botschaft bestünde darin, dass die Hirten im Zölibat leben oder dass die Schafe Sakramente empfangen.

-         Sie meinen, die christliche Botschaft bestünde darin, dass man jeden Sonntag zur Kirche geht und an Weihnachten rührselige Lieder singt.

-         Sie meinen, die christliche Botschaft bestünde darin, dass man an eine Jungfrauengeburt Jesu und an die Ewigkeit der höllischen Verdammnis glaubt.

-         Sie meinen, die christliche Botschaft bestünde darin, dass man einen angeblich „unfehlbaren“ Papst oder einen offensichtlich antisemitischen und gewaltbejahenden Reformator als moralische Instanz anerkennt.

Natürlich haben alle diese Dinge nichts mit unserem Leben und unseren Sorgen und Nöten zu tun. Deshalb wird die christliche Botschaft mehr und mehr abgelehnt oder gerät einfach mehr und mehr in Vergessenheit.

Das ist eine Reaktion, die verständlich ist. Dennoch machen es sich die Menschen damit zu einfach. Denn alle diese Dinge haben natürlich in Wahrheit auch nichts mit der christlichen Botschaft zu tun. Alle diese Dinge sind lediglich Bestandteile eines Lügengebäudes der von der Finsternis beeinflussten Menschen, mit dem die ursprüngliche christliche Botschaft überdeckt wird.

Für den, der danach sucht, ist die christliche Botschaft leicht zu finden: Die Zehn Gebote und die Bergpredigt, die vier Evangelien und die Hirtenbriefe sprechen eine klare und deutliche Sprache. Wer darin liest, kann schnell feststellen, dass die ursprüngliche Botschaft und die daraus entstandenen menschlichen Auswüchse nichts mehr miteinander zu tun haben. Wer darüber hinaus wirklich als ein Freigeist denkt und sich nicht nur einbildet, einer zu sein, wird sich der zensorischen und bücherverbrennenden Mentalität der Kirchen nicht beugen und auch apokryphe Quellen bzw. neuzeitliche Offenbarungen miteinbeziehen.

Um aufzuzeigen, dass die christliche Botschaft jeden Menschen angeht  - heute wie vor tausend Jahren -  möchte ich sie mit einem Bild beschreiben:

Ein Mensch geht auf einem Waldweg spazieren und sieht einen Käfer auf dem Rücken liegen, der hilflos mit den Beinen in der Luft rudert.

Es gibt vier Wege, mit der Situation umzugehen:

-         Man geht einfach weiter, das ist der Weg des Bürgers.

-         Man tötet den Käfer oder nimmt ihn gefangen, das ist der Weg des Machtmenschen.

-         Man misst mit der Stoppuhr die Zeit, bis der Käfer wieder auf die Beine kommt, an Schwäche stirbt oder von einem anderen Tier gefressen wird, das ist der Weg des Wissenschaftlers.

-         Man setzt den Käfer wieder auf die Beine und lässt ihn mit einem Segenswunsch seines Weges ziehen, das ist der christliche Weg.

Für wie modern und aufgeklärt und areligiös der Mensch sich auch immer halten mag – er muss sich entscheiden, welchen Weg er geht. Dabei ist der christliche Weg eine von vier Möglichkeiten. Den christlichen Weg miteinzubeziehen bedeutet, die Optionen, die Einem offen stehen, um das Leben zu erfahren und zu nutzen, zu kennen und unvoreingenommen zu prüfen.

Im Folgenden möchte ich darlegen, was die Charakteristika dieser vier Wege sind, die dahin führen, dass sie so handeln, wie sie handeln. Dabei sollte man sich bewusst machen, was es bedeutet, einen Weg zu gehen: Jede Form, auf eine Situation zu reagieren, zieht gleiche oder ähnliche Handlungen nach sich. Natürlich ist es auch möglich, zwischen verschiedenen Wegen zu pendeln, aber irgendwann wird man sich auf einen Weg einpendeln. Man sollte sich bewusst machen: Durch die Art, wie man denkt, redet und handelt  - in kleinen oder großen Situationen -  gestaltet man letztlich sein Leben, erbaut sich ein jeder seine Welt.

Der Bürger sieht den Käfer am Boden liegen und fragt: „Was geht mich das an?“ Das Kennzeichen des Bürgers ist die Abgrenzung. Das deutsche Wort „Bürger“ kommt von „Burg“, das englische Wort „citizen“ kommt von „city“. Alles was sich außerhalb seiner Burg- oder Stadtmauern oder seines Gartenzauns befindet, interessiert ihn nicht. Der Käfer ist ein Wesen einer anderen Gattung, deshalb fühlt der Bürger sich nicht zuständig. „Was habe ich davon, ihm zu helfen?“ fragt der Bürger und zieht seines Weges. Der Vorteil der bürgerlichen Haltung ist, dass er sich und seiner Burg einen Wohlstand aufbaut, dass er um die ihm Anvertrauten rührend sorgt und in diesem Rahmen Verantwortung übernimmt. Der Nachteil des bürgerlichen Weges ist, dass er alles ablehnt, was sich hinter seinen Landesgrenzen oder Stadt- oder Burgmauern oder hinter seinem Gartenzaun befindet. Fremdenfeindlichkeit oder zermürbende Kleinkriege zwischen Nachbarn sind Erfindungen des Bürgers. Ein Bürger, der ein Leben lang ausschließlich für sich und seine Familie sorgt, wird es einmal erleben, dass die Eltern sterben und die Kinder aus dem Haus gehen. Die dann einsetzende Einsamkeit zeigt die Beschränktheit seiner Lebensauffassung auf.

Der Weg der Macht bedeutet, die Schwäche des Anderen auszunutzen. Der Machtmensch kann den Käfer töten oder gefangen nehmen oder ihn gefangen nehmen und dann töten. Die Hemmschwelle zum Töten ist bei einem Gefangenen kleiner als bei einem Freien. Denn das Gefangennehmen und das Töten entspringen der gleichen Haltung des Machtmenschen: „Dein Leben gehört jetzt mir“. Der Machtmensch kann auch gefangen nehmen, um auszubeuten: Er baut eine Käferzucht auf für bestimmte Eiweißfuttermittel oder Farbstoffe oder Medikamentengrundstoffe, die er gewinnbringend verkaufen kann. Er lässt die Käfer für seine Zwecke arbeiten, ohne zu bedenken, welches Leben denn ein Käfer führen würde, wenn man ihn so ließe, wie er will. Der Machtmensch kann den Käfer auch einfach zertreten  - bloß um seine Macht zu demonstrieren.

Auch der Wissenschaftler nimmt den Käfer vielleicht gefangen oder tötet ihn, um ihn dann auf einer Schautafel mit lateinischen Namen neben anderen Käfern zu präsentieren. Er meint, darin drücke sich seine Liebe und seine besondere Affinität zu den Käfern aus. Oder er wird mit dem Käfer allerhand Experimente anstellen oder seinen Drüsen spezielle Seren entziehen, um dem Schutz aussterbender Käferarten oder dem medizinischen Fortschritt zu dienen. Oft folgt er dabei dem Grundsatz des Macciavelli „Der Zweck heiligt die Mittel“, indem er das Wohl und das Leben des einzelnen Käfers seinen großen Zielen unterordnet. Jedoch kann aus Lebensverachtung und Zerstörung niemals Gedeihen und Heilung entstehen, sondern nur wieder Lebensverachtung und Zerstörung. Deshalb sollte der Grundsatz des Hippokrates „Niemals schaden!“ einem jeden Wissenschaftler zu eigen werden, der der Menschheit konstruktiv dienen möchte.

Der Christ ist im Grunde der Einzige, der in direkte Kommunikation mit dem leidenden Geschöpf tritt. Er kennt die Gattungs-, Rassen-, Nationen-, Standes- oder Familiengrenzen nicht, mit denen der Bürger die Welt einteilt. Er leitet aus der Überlegenheit des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren keine Machtansprüche ab. Er empfindet den Weg des Wissenschaftlers als einen Umweg. Denn er empfindet, dass er das Wissen, das er benötigt, um zu helfen, bereits besitzt: Dass der Käfer in Not ist und dass er die Kraft hat, diese Not zu beheben. Alle Lebewesen als Geschöpfe EINES Gottes zu begreifen, bedeutet, alle Lebewesen als eine Familie zu begreifen. So tritt der christliche Weg mit allen Lebewesen in direkte Kommunikation. Jede solcher Begegnungen bedeutet für den christlichen Weg ein Glücksgefühl, da sie das Gefühl der Einheit mit allem Leben bestärkt. Da Gott die Einheit aller Lebewesen ist, ist diese Haltung des Dienens den Mit-Lebewesen gegenüber der Weg zu Gott.

Die goldene Regel der Bergpredigt heißt „Alles was Ihr wollt, das Euch die Leute tun sollen, tut Ihr ihnen zuerst“. Anders ausgedrückt: „Behandle Deine Mit-Lebewesen so, wie Du selber gerne behandelt werden möchtest". Der christliche Weg führt zu einem immer sichereren und tieferen Erfassen des Nächsten  - dessen, was der Mitmensch in einer Situation wirklich benötigt.

Wenn Sie, lieber Leser, das nächste Mal einem Käfer begegnen, der hilflos zappelnd auf dem Rücken liegt, dann denken Sie daran, dass Sie mit den vier Optionen, die es gibt, auf eine solche Situation zu reagieren, die Wahl haben, wie Sie Ihr Leben erfahren und gestalten. Egal ob Sie die vierte Option nun mit dem Etikett „christlich“ belegen wollen oder nicht  - Hauptsache, Sie leben danach.

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