Ich bin ein bekennender Fan der Fernsehserie „Dinotopia“. Ich sehe in dieser Geschichte, die manchen vielleicht nur als eine naive Kinderunterhaltung erscheinen mag, den Schlüssel zu einer Erneuerung unserer Kultur und eine wunderbare Vision von einer Gesellschaft, die meine Sehnsucht erweckt.
Im Folgenden ein Auszug aus meinem Buch „Roh macht froh!“:
"Wie kommt es, dass die dreiteilige Fernsehserie "Dinotopia" zu einem solchen Straßenfeger wurde, mit rund 7 Millionen Zuschauern in Deutschland?
Es ist die Geschichte zweier junger Männer, die auf einer Insel stranden, wo Menschen und Dinosaurier in einer friedlichen Koexistenz unter besonderen Lebensregeln zusammenleben. Drückt sich darin nicht eine Sehnsucht aus nach einer verbindlichen Kultur? Die beiden Brüder David und Karl spiegeln hierbei die Spaltung der Gesellschaft: Der eine Teil sieht in einer solchen verbindlichen, das persönliche Leben umgestaltenden Kultur eine Chance, der andere eine Einengung seiner Freiheit. Hierbei erfährt man schnell, dass es keinen Zweck hat, zwischen den beiden zu werten - den einen als gut, den anderen als böse hinzustellen: Der strebsame Schüler David lässt kaum eine Gelegenheit aus, seinen Bruder vor anderen schlecht zu machen, während der rebellische Karl ihm in einer gefährlichen Situation das Leben rettet.
Die "elf dinotopischen Lehrsätze" zeigen, dass es in dieser Kultur um die Formung des Charakters geht, um die Geisteshaltung und die ganzheitliche Höherentwicklung:
1. Ein Wassertropfen hebt den Ozean an.
2. Es überleben alle, oder keiner.
3. Waffen sind Feinde, selbst für ihre Besitzer.
4. Gib mehr, nimm weniger.
5. Andere zuerst, du selbst zuletzt.
6. Beobachte, höre zu und lerne.
7. Mache niemals zwei Dinge gleichzeitig.
8. Singe jeden Tag.
9. Trainiere deine Phantasie.
10. Iss um zu leben, lebe nicht um zu essen.
11. Finde das Licht!
Es geht um die täglichen Gewohnheiten, um die Arbeit an sich selbst, egal ob jemand als Saurierpilot oder in der Fußabdruck-Bibliothek arbeitet. Es geht also um die ganzheitliche Höherentwicklung des Menschen, und jedes Handwerk, jede Kunst kann zu einem Ausdruck dieser Höherentwicklung werden. Das Wesentliche aber ist diese Arbeit an sich selbst, die den ganzen Alltag durchzieht. Man sieht in dem Film, wie bereits die Kinder voller Stolz diese Lehrsätze aufsagen und in ihr Leben miteinbeziehen.
Eine solche Idee von Kultur scheint etwas in unserer Seele zu berühren, obwohl sich die Meisten in unserer Gesellschaft, ähnlich dem Karl, vehement gegen sie wehren würden. Man empfindet das als Einschränkung der Freiheit.
Unsere Idee von Kultur ist eine andere: Die Kunstwerke, die Ausdruck sein sollten einer lebensdurchwirkenden Geisteshaltung, sind zu einer Sonntagsbeschäftigung geworden. Man versteht Kultur als netten Zeitvertreib, als ein Konsumgut. Man liest Bücher, geht in Ausstellungen und Konzerte und versteht es, über Boccaccio und Dante, über Haydn und Beethoven, über da Vinci und van Gogh gepflegt zu parlieren und bildet sich ein, darin bestünde das, was man "Kultur" nennt.
Was sagt denn ein ganz gewöhnliches Lexikon über das Wort "Kultur"?:
"Pflege und Veredelung der leiblich-seelisch-geistigen Anlagen des Menschen"2).
Es geht also bei Kultur eigentlich nicht bloß um Unterhaltung und intellektuelle Anregung, sondern um die ganzheitliche Höherentwicklung, um eine charakterlich-spirituelle Ausbildung, wobei ebenso die leibliche Gesundheit miteinbezogen wird.
Die kulturelle Stufe eines Menschen bemisst sich nicht einfach daran, ob er mehrere Fremdsprachen beherrscht und die Wesenszüge der verschiedenen Musikepochen erläutern kann. Ebenso spielt eine Rolle, ob er ehrlich, höflich und hilfsbereit ist, und ebenso, ob er infolge von Bewegung und richtiger Ernährung einen wohlgeformten Körper, eine reine Haut und einen angenehmen Wohlgeruch besitzt. Wir sprechen heute etwas abwertend vom aufkommenden "Körperkult". Doch sollten wir uns bewusst machen, dass auch das Körperliche ein wichtiger Bestandteil einer ganzheitlichen Kulturauffassung ist und nicht nur etwas mit Eitelkeit zu tun hat. Denn der Zustand des Körpers ist ein Ausdruck der Seele. (...)
Woher kommt es, dass neuerdings in vielen aktuellen Publikationen versucht wird, so etwas wie einen Kanon der Bildung, bzw. der Literatur aufzustellen, eine verbindliche Liste, deren Abarbeitung uns die Gewissheit verschaffen soll "Ich bin gebildet, ich habe Kultur"? Liegt dem nicht eine Unsicherheit zugrunde, die daher rührt, dass unsere Kultur ihre Mitte verloren hat, die Idee der ganzheitlichen Höherentwicklung?
Schon in der Schule wird unter Bildung nichts anderes mehr verstanden als die Ansammlung abfragbarer Daten. Hat nicht die PISA-Studie gezeigt, dass diese äußere Bildung ohne die Grundidee einer ganzheitlichen Lebenskultur zu einem Niedergang führt? - Dass die Vermittlung kultureller Werte im dinotopischen und griechischen Sinne die Grundlage bildet? Hierauf können dann die Künste und die Bildung ganz natürlich zu ihrer höchsten Blüte heranreifen, während sich eine Kultur ohne die Kernidee der Höherentwicklung mehr und mehr in der Auflösung befindet. Die aufkommenden Bildungs- und Literaturkanons versuchen dieser Auflösung entgegenzusteuern und das festzuhalten, was sie unter "Kultur" verstehen. Damit legen sie aber keine wirkliche Grundlage für die notwendige Kulturerneuerung.
Dabei gab es noch vor nicht allzulanger Zeit auch in unserer Gesellschaft die Überreste einer dinotopischen Kulturidee: die Zehn Gebote und die Bergpredigt, die Ausrichtung auf Jesus Christus als Pionier einer ganzheitlichen Höherentwicklung. Heute scheint die Beschäftigung mit den Wurzeln unserer Kultur, dem Christentum, eher einem historischen und nostalgischen Interesse zu entspringen. Heranwachsende gehen zur Kommunion oder zur Konfirmation, weil es dann Geld von Onkel und Tante gibt.
Hier soll es nicht als Fehler hingestellt werden, dass der "Karl" in unserer Gesellschaft in seinem Freiheitsdrang die verkrusteten Formen kirchlicher Gläubigkeit aufgesprengt hat. Schließlich haben die Kirchen ja gerade deshalb an Einfluss verloren, weil auch ihnen die Idee der ganzheitlichen Höherentwicklung abhanden gekommen ist. Sie sind von mystischen Erleuchtungsschulen zu äußerlichen Erbauungstempeln für das Wochenende geworden - ähnlich unserer modernen Beschäftigung mit dem, was wir unter "Kultur" verstehen. Jedoch ist es folgerichtig, dass der "David" in unserer Gesellschaft nach dieser Gläubigkeit, die eine wahre Lebenskultur mit einschließt, weiterhin sucht. Es entstehen kleinere Religionsgemeinschaften, die der "Karl" in unserer Gesellschaft aufgrund der Verbindlichkeit ihrer Lehrsätze als einengende "Sekten" auffasst. (...)
In allen kulturellen Bereichen unseres Lebens - sei es die Kunst, die Bildung, die Religion oder die Gesundheit - zeigt sich das gleiche Prinzip: Ohne die Grundidee der Höherentwicklung, hinauf zum vollkommenen Menschen, strebt alles dem Niedergang zu. Die Idee der Höherentwicklung bindet uns an feste Regeln, an Gebote, letztlich an göttliche Gesetze. Der moderne Mensch wirft die Gesetze von sich, denn sie widerstreben seinem Freiheitsdrang. Dabei sind es gerade die Gesetze, die uns erst mündig machen.
Die Bildende Kunst wie auch die Musik haben ihre Aufbau- und Harmoniegesetze. Die moderne Kunst, die diese Gesetze hinter sich lassen will, weil sie das als "Befreiung" proklamiert, ist im Niedergang begriffen. Unsere besondere Bewunderung gilt nicht umsonst zumeist den "Meisterwerken" früherer Epochen.
Die Grundlage der Erziehung und der Bildung sind ethische und charakterbildende Prinzipien, wie sie in den Zehn Geboten, oder auch den elf dinotopischen Lehrsätzen niedergelegt sind. Demnach haben die Erzieher an erster Stelle eine Vorbildfunktion. Die darin enthaltene Verbindlichkeit wird aber von der modernen Gesellschaft als Einengung empfunden. Die Schulen verstehen sich nur noch als Anstalten zur Informationsvermittlung. Informationen sollen, wie mit einem großen Trichter, in die Köpfe der Schüler hineingefüllt werden. Hierbei sind die Lehrkräfte nur zum Teil verantwortlich zu machen, weil die Lehrpläne vielfach zu nichts anderem mehr Raum lassen. Die Alarmsignale, dass eine solche Auffassung von Erziehung in die Irre führt, sind die Ergebnisse der PISA-Studie und die Amokläufe von Littleton und Erfurt. Wenn dann aber kleinere Religionsgemeinschaften ihre Schüler im Sinne ethischer Grundsätze erziehen wollen, mokiert sich unsere Gesellschaft sofort lautstark über die angebliche "Indoktrination". - Offenbar widerspricht unser Freiheitsdrang bereits jeglicher Vernunft.
Am längsten schien es im Bereich der Wirtschaft so zu sein, dass ethische Grundsätze für den Erfolg durchaus entbehrlich wären. Doch auch hier sind wir an einem Punkt angelangt, wo die Lage kippt, wo sich in Ansätzen zeigt, dass die Abzockermentalität an Stelle der Haltung des Werte-Schaffens und des Dienens durchaus zu einem allgemeinen Niedergang führen kann.
Und im Bereich der Gesundheit?
Explodierende Krankenbehandlungs- und Pflegekosten lassen die Katastrophe offensichtlich werden. Herzinfarkt und Diabetes, Multiple Sklerose und Morbus Parkinson, Rheuma und Krebs sind auf dem Vormarsch. Dabei sind immer jüngere Menschen von diesen Krankheiten betroffen, die vor noch nicht allzulanger Zeit als Alterserscheinungen galten. Dass auch im Bereich der Gesundheit der Erfolg von Gesetzmäßigkeiten abhängt, die wir zu befolgen haben, ist in Ansätzen durchaus bekannt. Jedoch auch hier werden die Forderungen wie "Nicht rauchen!" / "Mehr Bewegung!" vielfach nicht als Chancen aufgefasst, sondern als Einengung der Freiheit. An den Bereich der Ernährung wagt man sich deshalb oft schon gar nicht heran, weil man - zu recht! - vermutet, dass hier noch mehr Regeln und Gesetzmäßigkeiten auf einen zukommen. Und das, obwohl es sich bereits immer mehr herumspricht, dass auch die Ernährung etwas mit der Gesundheit zu tun hat!
Deshalb ist es grundlegend, auch hier an den Grundgedanken jeder Kultur zu erinnern: den Gedanken der ganzheitlichen Höherentwicklung von Körper, Geist und Seele. Nur der Gedanke der Höherentwicklung kann uns das Verständnis für den so kantigen Satz Goethes offenbaren:
"Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben".
Ein Satz wie Dynamit!
Jahrhundertelang haben uns Päpste und Priester, Kaiser und Diktatoren, Lehrer und Eltern die Regeln und Gesetze von Außen aufgezwungen. Sie mussten befolgt werden - nicht aus eigenem Begreifen, sondern weil es die Autoritäten eben so wollten. Deshalb spielte es auch keine Rolle, ob diese Autoritäten als Vorbilder voranschritten und selber nach diesen Gesetzen lebten. Noch heute predigen Bischöfe und Politiker vielfach Wasser, saufen aber selber Wein. Ganz folgerichtig wird heute das Abstreifen aller Regeln und Gesetze als eine Befreiung empfunden, was sich aber mehr und mehr als Irrtum herausstellt. Der Zündfunken, der die Sprengkraft des Goetheschen Postulats entfesselt, ist die Einsicht, dass es auch selbstauferlegte Regeln geben kann - Gesetze, die der Mensch für sich freiwillig annimmt, weil er durch eigene Beobachtungen, Erlebnisse und Schlüsse deren Sinn und Wahrheitsgehalt erkannt hat.
Wer ein Haus bauen will, braucht gewisse Gesetzmäßigkeiten, wie man eine Mauer richtig hochzieht. Man kann natürlich auf seine Freiheit pochen und die Mauersteine so setzen, wie man es eben für richtig hält. Dann werden aber die Wände nicht sehr tragfähig sein, und man kann auch nicht sehr hoch bauen. Hingegen eröffnen einem die strengen Gesetze richtigen Mauerbaus letztendlich viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten, weil die Wände tragfähiger sind und man demzufolge höher und großzügiger bauen kann.
Ebenso ist es mit dem Gebäude unserer Gesundheit. Die Gesetze der Gesundheit, die vielfach erst einmal als Einschränkung empfunden werden, eröffnen einem letztlich eine ganz neue Freiheit und viel mehr Möglichkeiten. Die vermeintliche Entbehrung wandelt sich zu einer höheren Ebene von Genuss und Lebensqualität:
"Nicht alles, was Genuss bereitet, ist auch wohltuend. Aber alles, was wohltuend ist, bereitet auch Genuss."
(Pythagoras von Samos)
Als Architekten unserer Gesundheit begeben wir uns auf einen spannenden Weg der Höherentwicklung. Allmählich lernen wir den Sinn dieses Satzes zu begreifen, der uns zuerst so paradox erscheint: "Das Gesetz nur kann uns Freiheit geben". Er sagt nichts anderes aus als das unumstrittene und anerkannte Wort: "Wissen ist Macht". Hinzuzufügen wäre hier, das Wissen ist Macht, das wir auch am eigenen Leibe anwenden. Are Waerland, der große finnisch-schwedische Ernährungsreformer (1876-1955) drückte es so aus:
"Freiheit erlangen wir erst, wenn wir unsere 'Selbstsucht' in 'Selbstzucht' verwandelt haben."
(Are Waerland, "Der Weg zu einer neuen Menschheit"4), S. 463)
In diesem Sinne wollen wir uns nun auf das Abenteuer einlassen, die Gesetze der Gesundheit zu erkunden - uns dessen bewusst, dass es nicht um Zwang und Einengung geht, sondern um die wahre Freiheit durch die Entfaltung unserer innewohnenden Kräfte.