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15.01.2015


Natürlich könnten die fundamentalistischen Moslems einfach die Zeitschrift mit den Mohammed-Karikaturen nicht kaufen, und alles wäre fein. Natürlich sind die ganz schön blöd, denn sie kennen den Streisand-Effekt nicht: Barbara Streisand protestierte gegen eine Aufnahme der Küste Kaliforniens, auf der ihr Haus zu sehen war. Der Effekt war, dass diese Aufnahme sich im Netz in Windeseile verbreitete, und erst nach ihrem Protest jeder das wusste, was er nicht wissen sollte - wo ihr Haus steht. Genau so läuft es derzeit mit dem Magazin „Charlie Hebdo“: Eine Auflagensteigerung von 60.000 auf 5 Millionen – und das mit einer Mohammed-Karikatur auf der Titelseite! Das ist bestimmt nicht das, was die jungen Gewalttäter bezweckt haben . Nur: Wer erwartet von fundamentalistischen Fanatikern, dass sie den „Streisand-Effekt“ kennen – oder dass sie sich überhaupt über Dinge Gedanken machen wie Effizienz, Nutzen, Folgen???

Wenn ein breitschultriger Platzhirsch mit einer schicken neuen Lederjacke sagt „Fass meine Jacke nicht an“ – dann überlege ich mir, ob ich sie anfasse: Denn eine Provokation ist bestimmt nicht der beste Einstieg in unsere Kommunikation. Natürlich kann ich den Standpunkt einnehmen, ich lasse mich aus Prinzip nicht einschüchtern, und fasse sie doch an. Wenn ich dann eine aufs Maul kriege, dann kann ich natürlich mit überheblichem Stolz auf meine moralische Überlegenheit verweisen – aber was habe ich damit gewonnen?

Im Klartext: Wenn fundamentalistische Moslems sagen, wir mögen es nicht, wenn unser Prophet bildlich dargestellt wird, dann halte ich mich daran. Nicht weil ich die Freiheit nicht hoch genug schätze, um sie zu verteidigen. Sondern weil es das nicht wert ist. Das bringt die Sache der Freiheit nicht weiter. Mit Provokationen schaffen wir keine Annäherung.

Ich gebe zu, dass das eine schwierige Frage ist. Denn wo führt das hin? Sollen wir es auch zulassen, wenn fundamentalistische Muslime Musik, Tanz und Küsse in der Öffentlichkeit verbieten und drakonische Strafen darauf verhängen? Natürlich nicht. Es muss Grenzen geben. Es gibt eine Ebene der Freiheit, die unbedingt verteidigt werden muss.

Es gibt auch im Christentum ein Bilderverbot:
Du sollst Dir kein Bildnis machen… (2 Moses 20, 4)

Auch die Darstellung Gott-Vaters auf künstlerischen Bildern oder in Cartoons, Spiel- und Zeichentrickfilmen kann durchaus religiöse Gefühle verletzen. Oder Darstellungen Jesu, die ihn satirisch auf die Ebene des Gewöhnlich-Menschlichen herabziehen wollen. Aber der Christ, den das stört, reagiert darauf nicht mit Gewalt, er hält sich einfach von diesen Darstellungen fern. Das Christentum ist eben einfach 600 Jahre weiter als der Islam. Der Weg aber, auf den jüngeren Bruder Islam zuzugehen, kann nicht sein, ihn zu provozieren. Wer einen echten Dialog sucht, beginnt nicht mit einer Provokation. Das kostet ein Stück Selbstverleugnung – aber Effizienz, Nutzen und Folgen sind das wert, wetten?

Für die Christen ist es ohnehin die erste Aufgabe, zu den eigenen religiösen Wurzeln zurückzufinden. Als Hilfe für den, der sich auf diesen Weg machen möchte, mein Buch

Christus wiederentdecken .


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