Natürlich könnten die fundamentalistischen Moslems einfach
die Zeitschrift mit den Mohammed-Karikaturen nicht kaufen, und alles wäre fein.
Natürlich sind die ganz schön blöd, denn sie kennen den Streisand-Effekt nicht:
Barbara Streisand protestierte gegen eine Aufnahme der Küste Kaliforniens, auf
der ihr Haus zu sehen war. Der Effekt war, dass diese Aufnahme sich im Netz in
Windeseile verbreitete, und erst nach ihrem Protest jeder das wusste, was er
nicht wissen sollte - wo ihr Haus steht. Genau so läuft es derzeit mit dem Magazin „Charlie Hebdo“:
Eine Auflagensteigerung von 60.000 auf 5 Millionen – und das mit einer
Mohammed-Karikatur auf der Titelseite! Das ist bestimmt nicht das, was die
jungen Gewalttäter bezweckt haben . Nur: Wer erwartet von fundamentalistischen
Fanatikern, dass sie den „Streisand-Effekt“ kennen – oder dass sie sich
überhaupt über Dinge Gedanken machen wie Effizienz, Nutzen, Folgen???
Wenn ein breitschultriger Platzhirsch mit einer schicken
neuen Lederjacke sagt „Fass meine Jacke nicht an“ – dann überlege ich mir, ob
ich sie anfasse: Denn eine Provokation ist bestimmt nicht der beste Einstieg in
unsere Kommunikation. Natürlich kann ich den Standpunkt einnehmen, ich lasse mich aus Prinzip nicht
einschüchtern, und fasse sie doch an. Wenn ich dann eine aufs Maul kriege, dann
kann ich natürlich mit überheblichem Stolz auf meine moralische Überlegenheit
verweisen – aber was habe ich damit gewonnen?
Im Klartext: Wenn fundamentalistische Moslems sagen, wir
mögen es nicht, wenn unser Prophet bildlich dargestellt wird, dann halte ich
mich daran. Nicht weil ich die Freiheit nicht hoch genug schätze, um sie zu
verteidigen. Sondern weil es das nicht wert ist. Das bringt die Sache der
Freiheit nicht weiter. Mit Provokationen schaffen wir keine Annäherung.
Ich gebe zu, dass das eine schwierige Frage ist. Denn wo
führt das hin? Sollen wir es auch zulassen, wenn fundamentalistische Muslime
Musik, Tanz und Küsse in der Öffentlichkeit verbieten und drakonische Strafen
darauf verhängen? Natürlich nicht. Es muss Grenzen geben. Es gibt eine Ebene
der Freiheit, die unbedingt verteidigt werden muss.
Es gibt auch im Christentum ein Bilderverbot: Du sollst Dir
kein Bildnis machen… (2 Moses 20, 4)
Auch die Darstellung Gott-Vaters auf künstlerischen Bildern oder in
Cartoons, Spiel- und Zeichentrickfilmen kann durchaus religiöse Gefühle
verletzen. Oder Darstellungen Jesu, die ihn satirisch auf die Ebene des
Gewöhnlich-Menschlichen herabziehen wollen. Aber der Christ, den das stört,
reagiert darauf nicht mit Gewalt, er hält sich einfach von diesen Darstellungen
fern. Das Christentum ist eben einfach 600 Jahre weiter als der Islam. Der Weg
aber, auf den jüngeren Bruder Islam zuzugehen, kann nicht sein, ihn zu provozieren. Wer einen
echten Dialog sucht, beginnt nicht mit einer Provokation. Das kostet ein Stück
Selbstverleugnung – aber Effizienz, Nutzen und Folgen sind das wert, wetten?
Für die Christen ist es ohnehin die erste Aufgabe, zu den
eigenen religiösen Wurzeln zurückzufinden. Als Hilfe für den, der sich auf diesen Weg machen möchte, mein Buch