Nach Waerland kann sich der eigentliche Sinn der Lebensreform erst dann entfalten, wenn sich die Menschen, auch ohne von Krankheit dazu gedrängt zu werden, auf den Gesundheitsweg begeben, aus einem geistigen Antrieb heraus.
Bei mir war es tatsächlich so, dass mein erster Impuls für meinen ersten Schritt auf dem Gesundheitsweg, nämlich Vegetarier zu werden, nicht aus der Krankheit geboren war. Er kam auch nicht aus dem Tierschutzgedanken heraus. Dieser bestätigte mich zwar, war aber nicht mein ursprünglicher Impetus. Ich wollte anders leben als meine Eltern und als die ganze Gesellschaft, es steckte bei mir die Rebellion der Jugend dahinter. Ich wollte mir andere Ziele in meinem Leben setzen als eine gerngesehene Zivilisationskarriere hinzulegen. Schon mein ganzes Leben lang empfand ich mich in einem auslaufenden Zeitalter und wollte mir eine Alternative erarbeiten, im Einklang mit der Natur und mit Gott. Ich wurde mit 18 Jahren Vegetarier, weil ich die spirituelle Höherentwicklung anstrebte, ich wollte mich reinigen, mich verfeinern und die geistige Erleuchtung erlangen. Angeregt wurde ich durch das Büchlein "Die Heilige Wissenschaft" von Swami Sri Yukteswar Giri, dem Lehrer von Paramahansa Yogananda und durch die ersten Schriften des damaligen "Heimholungswerk Jesu Christi", später "Universelles Leben".
Der Bericht über diesen Umstand, der in meinem Leben einfach Tatsache ist, soll aber nicht das Bild entstehen lassen, ich wäre ein Heiliger oder "besonders weit" oder so etwas. Denn der Übertritt zum Vegetarismus bewirkte weder, dass ich "die" Erleuchtung erlangt hätte (ich sammle seitdem "viele kleine Erleuchtungen"), noch dass ich wirklich umfassend etwas für die Tiere getan hätte, noch dass ich von Krankheiten verschont geblieben wäre. Denn dazu gehört weit mehr.
Den Vegetarismus sehe ich heute nur als den Beginn eines Weges. Aber zunächst einmal war ich Vegetarier und hatte genug damit zu tun, den Vegetarismus gegenüber meiner Umwelt zu verteidigen. Und um ihn theoretisch zu untermauern, las ich auch meine ersten Bücher über Ernährung.
Bestimmend für meine ganze Entwicklung war der Hinweis in den Lehren des Universellen Lebens, man solle nicht fanatisch sein. So aß ich eine Zeit lang regelmäßig Fisch, weil ich Appetit darauf hatte und mich der Duft in einer Markthalle, wo ich einkaufen ging, unwiderstehlich anlockte. Ich aß noch Milchprodukte, obwohl ich von Anfang an den Veganismus als konsequenter empfand. Ich aß noch Produkte aus Zucker und Weißmehl, obwohl ich um die gesundheitlichen Folgen wusste - und sie auch zu spüren bekam: Immer wiederkehrende Erkältungsphasen und schlimme Migräneanfälle. Was ein Migräneanfall ist, kann wohl keiner richtig nachvollziehen, der niemals selber einen gehabt hat. Wenn man sich stundenlang vor Schmerzen windet wie ein Aal - da wird man ganz klein, zu allem bereit, zu allen Änderungen im Leben, nur um das nicht wieder erleben zu müssen! Und obwohl ich die Zusammenhänge mit meiner Ernährung erkannte, glaubte ich doch immer wieder, "nur" dieses Mal Kuchen essen zu können, oder "wenigstens" weiße Nudeln essen zu können, wenn schon keine Zuckerprodukte (ich wollte ja nicht fanatisch sein). Dadurch, dass dann der Migräneanfall unmittelbar danach ausblieb, fühlte ich mich bestätigt. Aber ich musste es immer und immer wieder erleben, dass durch fortgesetzte Ernährungsfehler die Übersäuerung in meinem Körper allmählich immer mehr zunahm und zunahm, bis wieder alles zu spät war. - Wieder Folterqualen, wieder gute Vorsätze, wieder schleichender Abfall vom wahren Naturweg, mit den entsprechenden Folgen.
So habe ich mehr und mehr systematisch die gesundheitlichen Aspekte der Ernährung studiert. Es war auch die Suche nach einer Antwort auf das Elend von Krankheit und Siechtum, das ich täglich in der Altenpflege sah. Die Zivilisationslebensweise mit Fleisch, Genussgiften, Heizungsluft und mangelnder Bewegung brachte nur allzu deutliche Resultate. Ich suchte nach einer Alternative. Waerland war für mich eine Offenbarung und die Befolgung seiner Richtlinien brachte mir spürbare Fortschritte. Bei Wandmaker war ich begeistert, spürte aber sehr schnell, dass ich ihm in der Praxis nicht folgen konnte. Denn seine Früchterohkost, die letztlich ausschließlich süßes Obst als erstrebenswert darstellte, löste mein Übersäuerungsproblem nicht, sondern verschärfte es nur. Dadurch, dass mein Stoffwechsel ohnehin in einer Schieflage war, genügten wenige Tage, um zu der Überzeugung zu gelangen: Das Unwohlsein bei dieser Ernährungsform beruht nicht einfach nur auf Reinigungskrisen, sondern auf ihrer Unausgewogenheit. David Wolfe hat für mich mit seinem Ernährungsdreieck sehr viel später die Sache aufgeklärt, vorerst aber fand ich meinen basischen Ausgleich in Kartoffeln und verschiedenem Wurzelgemüse, größtenteils gekocht. Dabei will ich überhaupt nicht bestreiten, dass die reine Früchterohkost auf anderen Entwicklungsstufen zu wunderbaren Resultaten führen kann. Auf meiner war sie einfach schädlich. Dadurch jedoch, dass ich das Nonplusultra der Ernährung nicht in mein Leben integrieren konnte, fiel ich oftmals auf das Niveau meiner Vor-Waerland-Zeit zurück: Nudeln, Pizzen und auch Zuckerzeug.
Mehrmals glaubte ich, meine Kopfschmerzen überwunden zu haben (wie auch in "Gesund sein bis ins hohe Alter" beschrieben). Doch in abgemilderter Form und weniger häufig treten sie heute noch auf. Vor Jahren schon habe ich eine Maßnahme entdeckt, die mir in akuten Phasen Erleichterung verschafft: Nicht im Bett liegen und sich hin und her wälzen, sondern aufstehen und marschieren, ein flotter, ausgedehnter Spaziergang, mit regelmäßigem Atem, auch bei Kälte, stampfen wie eine Maschine, bis einem von innen her warm wird. Das hat mir schon manchen schlimmen Anfall erheblich abgekürzt.
Vier Jahre lang lebte ich vegan, heute aber wieder mit einem geringen Anteil Milchprodukte, also lactovegetarisch.
Trotz meiner gesundheitlichen Probleme muss ich sagen, bin ich froh, dass ich nicht allzu fanatisch an die Sache herangegangen bin. Ich muss mir keine Versuchungen versagen, weil ich die Dinge, die ich mir versage, echt überwunden habe. Sie sind keine Versuchungen mehr für mich - oder kaum. D.h. kommen noch Anklänge, wie Appetit auf Eiscreme z.B., so esse ich eben Eiscreme. Besser einmal Eiscreme essen als monatelang an Eiscreme denken. Eine Ernährungsform, zu der man sich zwingen muss, empfinde ich als unecht. Dass ich mich heute ganz von innen heraus mehr und mehr zu den Sachen hingezogen fühle, von denen ich weiß, dass sie gesund sind, bestätigt mich in dieser Ansicht.
Obwohl ich mich viel mit hundertprozentiger Rohkost beschäftigt habe und vom Kopf her mit deren Theorie einverstanden bin, kann ich mich jedoch vom Bauch her nicht so ganz damit anfreunden. Eigentlich fußen fast alle Rohkostempfehlungen auf einen großen Anteil ausländischer Früchte und Nüsse. Wenn ich jedoch als Mitteleuropäer eine regions- und saisonbezogene Ernährung durchführen will, halte ich einen gewissen Kochkostanteil in der Ernährung für sehr viel natürlicher.
Ich ernähre mich heute lactovegetarisch, möglichst vollwertig, mit hohem Rohkostanteil und ohne Genussgifte (Alkohol, Kaffee, Nikotin, Essig).
Mittlerweile entspricht meine Ernährung ziemlich genau der der GAT - Ganzheitlichen Arthrose-Therapie. Nähere Informationen unter www.arthrose-selbsthilfe.de
Ausnahmen gibt es bei Zucker und Weißmehl hin und wieder. Heute bin ich aber auch auf den Trichter gekommen, dass es für gewisse ungesunde Gelüste nicht nur die Alternativen gibt: Verzichten oder es in kleinen Mengen zulassen. Es gibt einen dritten Weg, nämlich diese Dinge in gesunder Weise konsumieren. So stelle ich mir Marzipankartoffeln selber her aus Mandeln oder Nüssen mit Trockenfrüchten gesüßt, oder Eiscreme aus Schmand mit frischen Erdbeeren und einem Anteil Fruchtzucker-Marmelade. Das schmeckt sogar noch besser als die ungesunde Variante - probieren! ;-)
Sehr lange habe ich darum gerungen, ob bzw. wie ich zum hundertprozentigen Rohköstler werden soll. Heute lebe ich ganz gut mit einer lactovegetarischen Vollwertkost, die auch einen Anteil Gekochtes enthält. Die suchtfreie Lebensweise, die sich befreit von den Süchten nach Alkohol, Niktotin, Fleischessen, Kaffee, Weißzucker, sowie übermäßigem Fernsehen hat für mich immer mehr an Bedeutung gewonnen. Die Frage, ob jemand zu 80 oder 90 oder 100 Prozent roh isst, hat hingegen für mich immens an Bedeutung verloren. Das scheint mir im Vergleich zu obengenannten Problemen ein "Luxusproblem" zu sein.
Eine Lebensweise mit Null vom toten Tier, mit Null Alkohol, mit viel Bewegung und einem hohen Rohkost-Anteil ist entscheidend. Und danach lebe ich.